Ein leiser Schlussakkord in Moll

von Redaktion

In seiner allerletzten Ausgabe nimmt der Bayernkurier betrübt Abschied von sich selbst

München – Man nimmt dieses Heft vorsichtig in die Hand, etwas abwartend. Wird beim Aufblättern Selbstmitleid heraustriefen wie aus einer undichten Milchtüte, fällt Bitternis bröselweise herab? Es ist die letzte Ausgabe des „Bayernkurier“. Das kraft Amtes gandenlos parteiische Parteimagazin wird nach 70 Jahren für immer beerdigt, zu teuer, zu langsam, zu analog. Auf dem Titel steht nur knapp „Servus“.

So bleibt, und das ist erfreulich, der Grundton der Ausgabe 12/2019. Leicht wehmütig, aber nicht weinerlich nimmt der Bayernkurier Abschied von sich selbst. „Ein sachte intonierter Schlussakkord in Moll“, dichtete das Team um den letzten Chefredakteur Thomas Röll zu einem auf einer Doppelseite präsentierten Foto zweier Blasmusiker in Tracht.

Es hat wahrlich kräftigere Zwischentöne gegeben in den 70 Jahren als gedruckte Parteizeitung. „Er wird nicht scheuen, mit unseren Gegnern ein offenes und deutliches Wort zu sprechen“, so kündigte Franz Josef Strauß als Generalsekretär 1950 in der ersten Ausgabe an. Nicht zu viel versprochen: Die wütendsten Sprüche aus sieben Jahrzehnten umfassen den Zorn über „Bocksprünge“ (Willy Brandt), „Brutstätten des Verfalls“ (Kunst), „Gammler“ (Linke). Darüber lässt sich rückblickend zwar kichern – wahr ist aber: Wenn schon parteiisch, dann wenigstens hemmungslos und damit unterhaltsam.

So war das zu den guten Zeiten des Bayernkurier. Vor allem in den 70ern und 80ern, als Chefredakteur Wilfried Scharnagl aus dem Bauch heraus für, über, mit Strauß schrieb, mit bis zu 180 000 Auflage als Pflichtlektüre für Freund und Feind. Spätere Parteichefs hatten diese Bindung nicht mehr. Die Komplexität der Themen stieg, die Freude am Vereinfachen sank, die Abos stürzten auf 5000, die Gesamtbilanz dunkelrot. Der aktuelle Vorsitzende Markus Söder schichtet jetzt Mittel ins Digitale um, macht die Print-Redaktion komplett dicht. In aller Härte schildert er das selbst im Gastbeitrag der letzten Ausgabe: „Man kann erfolgreiche alte Zeiten nicht einfach wiederherstellen, so wie man eine Antiquität restaurieren lässt. Und auch zu den Antiquitätenläden strömen die Massen am Wochenende nicht, sie fahren zu Ikea.“

Und so erläutert der Bayernkurier mit Würde seine eigene Überflüssigkeit. Edmund Stoiber wird noch mal interviewt, vergleicht den Abschied vom Blatt („hochemotional“) mit dem Auszug der CSU aus Wildbad Kreuth. Ansonsten gibt er ein durchaus lesenswertes Grundsatzgespräch über moderne politische Kommunikation, über das Risiko, wenn Menschen in einer Demokratie sich nur noch in den Meinungsblasen des Internets informieren. Ja, das „digitale Bierzelt“ muss man auch bedienen, macht Stoiber klar, aber sich nicht nur dort verlieren.

Auf der letzten Seite des letzten Heftes: Karikaturen, ein letztes Mal gegen den alten Gegner SPD, Hinweis auf ihren „steinigen Weg bis zur 5-Prozent-Hürde“. Die Rubrik heißt: „Wer zuletzt lacht“.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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