Rom – Sie nennen sich „Sardinen“. Wie ein wendiger Fischschwarm finden sie sich spontan auf den Plätzen und Straßen von Parma bis Palermo zusammen. Angelockt werden sie von jenem Mann, der Italien in einen Dauerwahlkampf versetzt, bei dem sachliche politische Argumentation immer schwieriger wird: Matteo Salvini.
Der Lega-Chef hat seine größte Niederlage, den selbst verschuldeten Sturzflug aus der Regierung vor rund drei Monaten, noch längst nicht verdaut. Atemlos beackert er derzeit die Städte der Emilia-Romagna, um seine Anhänger mit Parolen gegen Brüssel, Berlin, Paris und Migranten zu füttern. Doch wo immer er auftaucht, verfolgt ihn ein Flash-Mob, der weiße Papp-Sardinen schwenkt.
Im einstigen „roten Herz“ Italiens mit seiner Industriemetropole Bologna finden am 26. Januar Regionalwahlen statt. Sollte die Hochburg der Sozialdemokraten an die Lega fallen, wäre ganz Norditalien bis zum Apennin fest in Händen der europaskeptischen Rechtspopulisten. Das würde, sind sich Beobachter einig, auch in Rom für ein Erdbeben in der fragilen Regierungskoalition der linken Fünf-Sterne-Bewegung und dem sozialdemokratischen Partito Democratico sorgen.
Die „Sardinen“ wollen diesen Durchmarsch verhindern. In den sozialen Netzwerken hat die Bewegung ein Manifest gegen Populismus veröffentlicht: „Jahrelang habt ihr Populisten Lügen und Hass über uns ausgeschüttet. Ihr habt Lügen und Wahrheit vermischt und eine Welt geschildert, die euren Interessen entspricht“, lautet der Text. „Ihr habt unsere Ängste und Schwierigkeiten ausgenutzt, um unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Eure politische Botschaften sind leer.“
Die „Sardinen“ verstünden sich als „friedliche und gewaltfreie Bewegung aus normalen Personen“, erklärt ihr Gründer Mattia Santori (32). „Wir setzen uns für das Gemeinwohl ein und lehnen jede Form von Rassismus und Nationalismus ab.“ Die Aktion findet inzwischen auch im Ausland Nachahmer. Im Dezember sind Demos in Brüssel und New York geplant. Motto: „Populisten, die Party ist vorbei“. INGO-MICHAEL FETH