Das seltsame Schweigen von Barack Obama

von Redaktion

Barack Obama weigert sich, öffentlich einen Kandidaten der Demokraten zu favorisieren. Intern aber kritisiert er alle Bewerber – auch seinen früheren Vize Joe Biden. Was steckt dahinter? Bereitet er insgeheim eine Karriere seiner Frau Michelle vor?

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Acht Jahre lang, von 2009 bis 2017, war Joe Biden Vizepräsident von Barack Obama. Stets loyal stand er hinter seinem Chef, auch wenn sein Einfluss auf die Tagespolitik – wie es bei Vizes nun mal ist – extrem begrenzt war. Und doch hat es bisher, in der wichtigsten Phase von Bidens politischer Karriere, keine Unterstützung vom ersten farbigen Präsidenten der USA gegeben. Biden will als einer von einem Dutzend Demokraten 2020 Donald Trump ablösen. Obama aber weigert sich beharrlich, zwei Monate vor Beginn der parteiinternen Vorwahlen in Iowa und New Hampshire den Finger auf die Waagschale zu legen und Biden zu unterstützen.

Gerade in den letzten Wochen hätte Biden solche Rückendeckung brauchen können, denn sein Name ist mit dem Amtsenthebungs-Drama gegen Trump untrennbar verbunden. Der Präsident hatte Militärhilfen an die Ukraine zurückhalten lassen und davon abhängig gemacht, dass Kiew die Rolle von Joe Biden untersucht, dessen Sohn Hunter beim Energiekonzern Burisma einen gut dotierten Job bekommen hatte. Doch auch hier wartete Biden vergeblich auf Unterstützung Obamas, für den er einst die Ukraine-Politik koordinierte.

Stattdessen weist der Ex-Präsident durch Mitarbeiter jegliches Ansinnen zurück, eine Bewertung seines langjährigen Vize vorzunehmen. Und noch schlimmer: Wie das Magazin „politico“ jetzt berichtete, scheute sich Obama im kleinen privaten Kreis nicht, alle Bewerber der Demokraten mit Kritik zu überziehen – Biden inklusive.

Dieser habe nicht mehr die Verbindung wie früher zur Wählerbasis, soll Obama gegenüber Freunden und Bekannten analysiert haben. Auch die progressive Senatorin Elizabeth Warren, die Umfragen zufolge gute Chancen auf eine Nominierung besitzt, ließ der frühere Präsident nicht gut wegkommen. Kernstück von Warrens politischem Plan ist die Eliminierung von „Obamacare“, der einst von Obama auf den Weg gebrachten Gesundheitsreform. Stattdessen will Warren „Medicare“ für alle – eine staatliche Krankenversicherung, die keine privaten Wahloptionen mehr lässt und allen Bürgern die gleiche Versorgung beschert. Es war klar, dass Obama an Warren dachte, als er am 15. November gegenüber Parteispendern analysierte: Der Durchschnitts-Amerikaner wolle nicht, dass das System komplett niedergerissen und neu konstruiert werde. Mit Blick auf den Senator Bernie Sanders und dessen sozialistisch angehauchte Thesen habe Obama sogar intern angedroht, sich offen gegen den 77-Jährigen auszusprechen, falls dieser zum Favorit werde. Doch die Chancen von Sanders sind nach dessen Herzinfarkt gesunken.

Auch zu den drei farbigen Bewerbern im Feld – Kamala Harris, Cory Booker und dem Spätstarter Deval Patrick – hat Obama bisher jede befürwortende Aussage vermieden. Manche Boebachter vermuten, dass die extreme Zurückhaltung des Ex-Präsidenten auch ganz persönliche familiäre Gründe haben könnte. Denn Umfragen zeigen immer wieder: Würde die frühere First Lady Michelle Obama noch ihre Kandidatur erklären, würde sie alle Mitbewerber – und auch Trump – nach Längen schlagen. Und: Je später sie ins Rennen einsteigt, desto länger würde sie den Attacken entgehen, die inzwischen auf jeden Bewerber einprasseln.

Zwar hatte Michelle Obama nach dem Auszug aus dem Weißen Haus mehrfach erklärt, nicht in die Politik zu wollen. Doch solche Aussagen können auch revidiert werden. Entweder noch für das 2020-Rennen oder dann bei der Präsidentschaftsfrage für 2024. Sollte sie noch 2020 einsteigen, dann nicht als „normale“ Kandidatin, sondern als Retterin einer Partei, die zwischen Moderaten und Linken tief zerstritten ist.

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