Kampf und Krampf

von Redaktion

Die Kanzlerin kommt in der Generaldebatte mühsam in Fahrt – Sie wirbt vor allem für die GroKo

Berlin – Es dauert 20 Minuten, bis Angela Merkel endlich für Aufmerksamkeit sorgt. Im Parlament gibt es bereits lange Gesichter, immer mehr Abgeordnete tippen auf ihrem Handy herum. Die Kanzlerin hält eine Geschichtsstunde zur Nato. Viel Krampf. Doch dann legt Merkel den Hebel um – und zum Schluss appelliert sie sogar an die SPD: „Wir sollten die Legislaturperiode lang weiterarbeiten, meine persönliche Meinung. Ich bin dabei!“ Olaf Scholz setzt auf der Regierungsbank sein breitestes Grinsen auf.

Sollte der Finanzminister das Rennen um den Parteivorsitz bei den Genossen machen, ist es wahrscheinlich, dass die SPD in der GroKo verbleibt. Mit CDU-Frau Merkel vorneweg. Wenn nicht, dürfte das Bündnis wohl im Dezember zusammenkrachen. Eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen wären möglich. Merkels Kanzlerschaft könnte dann Geschichte sein. Also redet sie den Genossen ins Gewissen.

Noch auf dem CDU-Parteitag in Leipzig wirkte die Kanzlerin jedenfalls so, als sei sie auf dem Weg in den Ruhestand. Der erste Teil der Rede atmet genau diesen lustlosen Geist. Obwohl im Bundestag die Generaldebatte aufgerufen wird, der wichtigste Schlagabtausch in der Haushaltswoche. All die, die Merkel bereits abgeschrieben haben, fühlen sich anfangs bestätigt. Doch ohne Kampf geht es dann doch nicht, wenn die GroKo überleben soll. „Wir haben in den letzten 20 Monaten vieles auf den Weg gebracht“, ruft sie eher der SPD als den eigenen Leuten zu. Merkel listet die Halbzeitbilanz noch einmal auf. Sie verstehe nicht, dass immer so abfällig über einen ausgeglichen Haushalt gesprochen werde. Wenn man in Zeiten niedriger Zinsen glaube, „man müsste auch noch Schulden machen, was will man eigentlich machen, wenn die Zinsen wieder normal sind? Wie viel Schulden will man dann machen?“ Oppositionspolitiker lachen, nennen das „ökonomischen Unsinn“. Endlich kommt Stimmung auf im Bundestag.

Die Kanzlerin wird energischer im Ton. Speziell beim Klimathema. Zwar stelle Deutschland nur ein Prozent der Weltbevölkerung und verursache zwei Prozent der CO2-Emissionen. Dafür verfüge man über die besten Technologien. „Wer, wenn nicht wir, soll zeigen, dass es geht, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen?“ Zuvor hatte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland Merkel scharf angegriffen: „Die deutsche Energiewende ist gescheitert.“ Das Klimathema sei inzwischen „ersatzreligiös“.

Merkel wird dann grundsätzlich. Es stimme nicht, dass man seine Meinung nicht mehr frei sagen könne. Nur müsse man dann auch damit leben, „dass es Widerspruch gibt. Es gibt keine Meinungsfreiheit zum Nulltarif.“ Auch gebe es Grenzen. „Und die beginnen da, wo gehetzt wird, da, wo Hass verbreitet wird, die beginnen da, wo die Würde anderer Menschen verletzt wird.“ Nur von der AfD erhält die Kanzlerin dafür keinen Applaus.

„Wir haben noch viel zu tun“, richtet sie sich schließlich wieder an die SPD. Am Samstag um 18 Uhr weiß auch Merkel, wohin die Reise für die GroKo gehen könnte. Dann wird das Ergebnis der SPD über den Parteivorsitz verkündet. HAGEN STRAUSS

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