Karlsruhe – Täter können auch bei schweren Straftaten grundsätzlich ein „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet beanspruchen. Presseverlage können dazu verpflichtet sein, die zeitlich unbegrenzte Verbreitung von in Onlinearchiven gespeicherten Artikeln mitsamt der konkreten Namensnennung des Straftäters zu verhindern, wie das Bundesverfassungsgericht in einem gestern veröffentlichten Beschluss zum sogenannten „Apollonia-Mord“ entschied. Dafür müssen Betroffene aus Sicht des Gerichts aber ihre Schutzbedürftigkeit aktiv geltend machen. (AZ: 1 BvR 16/13)
Der „Spiegel“ hatte 1982 und 1983 über den Mord an zwei Menschen auf der Jacht „Apollonia“ berichtet. Der Täter wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. „Spiegel Online“ stellte die Presseartikel in seinem Online-Archiv unter voller Nennung des Täternamens bereit. Über Suchmaschinen war der Mann leicht identifizierbar. Das verletze ihn in seinem allgemeinem Persönlichkeitsrecht, argumentierte der 2002 aus der Haft entlassene Mann. Nach mehr als 30 Jahren habe er ein Recht auf Vergessenwerden. Die volle Namensnennung in den Artikeln erschwere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Der Bundesgerichtshof urteilte dagegen im November 2012, dass der Kläger die Namensnennung hinnehmen müsse, da es sich bei dem Mord um ein Verbrechen von „besonderer zeitgeschichtlicher Bedeutung“ handele. Das Bundesverfassungsgericht hob dieses Urteil nun auf.