Malta: Mordkomplott weitet sich zu Staatskrise aus

von Redaktion

Nach Massenprotesten wird es um Premier Muscat einsam – Ist die Insel von der Mafia unterwandert?

La Valletta/Rom – Die Wintersaison ist auf der felsigen Insel Malta wegen ihrer stürmischen Winde berüchtigt. Doch die scheinen eher harmlos gegen den politischen Sturm, der momentan über den südlichsten Staat Europas hinwegfegt. Alles kreist um die Frage: Haben höchste Regierungskreise einen Mord in Auftrag gegeben? Wurde die Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia vor zwei Jahren auf Anweisung von ganz oben in die Luft gesprengt? Weil sie in Sachen „Panama Papers“ zu gründlich recherchiert und ein unappetitliches Netzwerk aus Korruption, Mafia und Spitzenpolitikern aufgedeckt hatte? Der bisherige Verlauf der Ermittlungen legt genau das nahe.

Auch, dass Minister versuchten, die Arbeit der Justiz nach Kräften zu behindern. Die Aufregung in Malta ist groß, die Bürger sind zornig. Seit Tagen protestieren tausende Menschen im Zentrum der Hauptstadt La Valletta. Sie fordern den Sturz des langjährigen Premiers Joseph Muscat von der Labour Party, den viele als den wahren Drahtzieher in dem Mordkomplott verdächtigen. Aus der wütenden Menge schallen ihm die Rufe „Assassino – Mörder“ entgegen. „Mafia raus aus Malta“ und „Ab ins Gefängnis“ heißt es auf Plakaten.

Gegen den Großmeisterpalast, Sitz der Regierung, fliegen Eier und Flaschen. „Heute wissen wir, Daphne hatte mit allem Recht“, empört sich die Aktivistin Pia Zammid. „Wir dürfen nie wieder zulassen, dass in unserem Land ein Klima der Angst regiert.“ Auffällig: Es sind vor allem junge Leute, die auf die Straße gehen und sich gegen die geheime Macht der Mafia wehren. Mehrere Minister und Spitzenbeamte mussten wegen des Skandals bereits ihren Hut nehmen, Muscats engster Vertrauter, Keith Shembri, wurde festgenommen. Der Stabschef des Premiers soll in Panama ein Netzwerk von geheimen Nummernkonten eingerichtet haben; eines gehörte Muscats Frau.

Die Proteste auf den Straßen entzündeten sich, als der Regierungschef dem Hauptverdächtigen im Mordfall Straffreiheit zusicherte. Der Geschäftsmann Yorgen Fenech unterhält ein dubioses Firmengeflecht in Dubai, das bei der Justiz im Verdacht der Geldwäsche steht. Er beantragte jetzt bei der Staatsanwaltschaft Immunität, um auszupacken.

Viele Bürger fürchten indes um den guten Ruf ihres Inselstaates. Der ist in Brüssel und bei den internationalen Polizeibehörden schon länger angekratzt. In Justizkreisen gilt Malta etwa als Drehscheibe für Geldwäsche und Waffengeschäfte. Auch die Praxis der Regierung, die maltesische Staatsbürgerschaft an Nicht-EU-Ausländer für hohe Geldbeträge zu verkaufen, steht schon länger in der Kritik. INGO-MICHAEL FETH

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