Nato: Trump maßregelt Macron

von Redaktion

US-Präsident Trump hat die Nato früher als „obsolet“ bezeichnet. Jetzt ist er auf einmal ein Fan. Unruhe stiftet beim Jubiläumsgipfel in London ein anderer – und zwar mit Trumps außenpolitischer Lieblingsmethode: Krawall.

VON A. HAASE, L. KLIMKEIT UND M. FISCHER

London – Seinen neuen Lieblingsfeind im Kreise der Nato nennt Donald Trump erst mal gar nicht beim Namen. „Wir haben einen unglaublichen Geist, was die Nato betrifft, vielleicht mit Ausnahme von einem Land“, sagt der US-Präsident am Dienstag in London. Dieses Land, von dem er redet, habe einige Anmerkungen gemacht, die „verheerend“ für die Militärallianz seien. Trump meint Frankreich und seinen Amtskollegen Emmanuel Macron, der der Nato kürzlich den „Hirntod“ bescheinigt hatte. „Beleidigend“, „respektlos“, sogar „gefährlich“ sei das gewesen, findet Trump.

Mit einer rund 50-minütigen Spontan-Pressekonferenz vor dem offiziellen Beginn des Spitzentreffens zum 70-jährigen Bestehen des Verteidigungsbündnisses hat Trump am Dienstag praktisch den Gipfel eröffnet. Dass er sich bei internationalen Treffen einen Gegner aussucht, an dem er sich abarbeitet, ist nichts Neues. Den G7-Gipfel in Quebec ließ er 2018 sogar platzen, weil er sauer auf den kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau war. Beim letzten Nato-Gipfel 2018 schoss er sich gleich beim Frühstück mit Stoltenberg auf Deutschland ein: „Deutschland wird total von Russland kontrolliert“, sagte er mit Blick auf das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2.

Jetzt also Frankreich.

Für den rauen Ton zwischen den USA und Frankreich ist nicht nur Macrons umstrittene Nato-Bestandsaufnahme verantwortlich. Die US-Regierung setzte kurz vor dem ersten Gipfeltag in London ein Verfahren zur Einführung neuer Strafzölle auf französische Produkte in Gang. Der Grund: Frankreich hat eine Digitalsteuer beschlossen, die Washington für „diskriminierend“ hält.

Die Differenzen können bei einem Treffen der beiden Staatschefs am Nachmittag offensichtlich nicht ausgeräumt werden. Trump schlägt zwar sanftere Töne an. Doch Macron spielt das Spiel nicht mit – er widerspricht Trump in einigen Punkten offen. Auf eine Spitze von Trump, ob Macron nicht „ein paar nette“ Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben wolle, mahnt Macron Ernsthaftigkeit an. Die gefangenen Kämpfer seien ein kleiner Teil eines übergreifenden Problems. Der IS sei noch nicht besiegt. Mit Blick auf Trumps Kritik an den Verteidigungsausgaben sagt er, es gehe bei der Nato nicht nur um Zahlen.

Doch Trump reitet auf ihnen herum – weil sie ihm nützen dürften. Dass die Nato-Partner mehr für Verteidigung ausgeben wollen, wertet der Amerikaner als sein Verdienst. Ein Jahr vor der US-Wahl kommt Trump die Rolle des Retters nicht ungelegen. Bezeichnete er die Nato in der Vergangenheit als „obsolet“, sagt er nun: „Die Nato dient einem großartigen Ziel.“ Seit er Präsident sei, habe sich die Nato verändert. „Ich bin ein größerer Fan der Nato geworden.“

Macron könnte sich unterdessen mit seinen „Hirntod“-Äußerungen in eine politisch gefährliche Sackgasse manövriert haben. Bislang hat sich kein relevanter Bündnispartner hinter ihn gestellt. Lediglich Außenminister Heiko Maas ging einen kleinen Schritt auf ihn zu, indem er die Einberufung einer Expertenkommission vorschlug, die bis zum Gipfel 2021 Vorschläge zur Stärkung der Zusammenarbeit erarbeiten könnte. In der Abschlusserklärung ist nur vage vom Start eines Reflexionsprozesses die Rede. Offenbar waren etliche Alliierte der Ansicht, dass die sofortige Einsetzung einer Kommission als Eingeständnis ernsthafter Probleme und als Zugeständnis an Macron gewertet werden könnte.

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