Rom/Madrid – Für ein paar Tage kann sich Spaniens geschäftsführender Ministerpräsident Pedro Sánchez im Scheinwerferglanz der großen Weltbühne sonnen. Er mag es als willkommene Abwechslung empfinden. Denn während in Madrid der internationale Klimagipfel tagt, wird im spanischen Politbetrieb weiter zäh um eine halbwegs tragfähige Regierungsmehrheit gerungen. Und da sieht es rund vier Wochen nach dem vierten Urnengang in vier Jahren düster aus.
Nichts deutet darauf hin, dass der politische Stillstand bald überwunden ist, im Gegenteil. Spanien steht vor einer neuen Zerreißprobe, an deren Ende abermals Neuwahlen stehen könnten. Kurz nach dem Wahltag, bei dem seine Sozialisten (PSOE) entgegen den eigenen Erwartungen Stimmen eingebüßt hatten, trat Sánchez die Flucht nach vorn an. Innerhalb weniger Tage schmiedete er mit der linken Protestbewegung Podemos eine Koalition. Vor der Wahl hatte er ein solches Bündnis kategorisch ausgeschlossen. Das Problem: Auch gemeinsam kommen PSOE und Linkspopulisten im Parlament nicht auf die erforderliche absolute Mehrheit. Sie hängen vielmehr vom Wohlwollen kleiner Splittergruppen und Regionalparteien ab.
Hier kommt ausgerechnet das heiße Eisen Katalonien ins Spiel. Zum ersten Mal sitzen die katalanischen Sezessionisten von der ERC mit 13 Sitzen im spanischen Unterhaus – ausreichend, um einer Linksregierung ins Amt zu verhelfen. Noch im Wahlkampf hatte sich Sánchez im Katalonien-Konflikt als Bewahrer der nationalen Einheit inszeniert. Der Regionalregierung, die auf ein zweites Referendum zur Abspaltung von Spanien pocht, drohte er unverhohlen mit Absetzung, sollte sie abermals gegen die Verfassung verstoßen. Mittlerweile sind seine Töne deutlich konzilianter. Doch die katalanischen Linksrepublikaner sind nicht bereit, Sánchez einen Blankoscheck auszustellen. „Wir wollen mit der Zentralregierung in Madrid auf Augenhöhe verhandeln und dafür einen verbindlichen Zeitplan vereinbaren“, so Gabriel Rufián, Fraktionssprecher der Separatistenpartei. Die ersten Sondierungsgespräche verliefen jedoch ernüchternd. Die Positionen, so Teilnehmer, seien noch zu weit voneinander entfernt.
In den eigenen Reihen sitzen Sánchez die Kritiker im Nacken. Sie warnen vor einem „Spiel mit dem Feuer“, falls es der ERC gelinge, den Sozialisten weitere Zugeständnisse abzuringen. Der frühere Ministerpräsident Felipe González hatte bereits die Koalitionsvereinbarung mit Podemos als „großen Fehler“ bezeichnet. Spaniens bisheriger Außenminister, der neue EU-Chefdiplomat Josep Borrell, äußerte Unmut, dass die Regierungsbildung in seiner Heimat nun ausgerechnet von den Separatisten abhänge. Die konservative Partido Popular und die Rechtsnationalen von VOX dürften sich derweil die Hände reiben. Mit seinem glücklosen Taktieren könnte sich Rivale Sánchez ins politische Aus manövrieren. INGO-MICHAEL FETH