„Nicht Hals über Kopf“

von Redaktion

SPD: Vor dem Parteitag mehren sich moderate Stimmen – Linker Flügel will GroKo-Entscheidung

München/Berlin – Horst Arnold ist einer von rund 600. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im bayerischen Landtag entscheidet als Delegierter auf dem SPD-Parteitag darüber mit, ob die gemeinsame Bundesregierung mit der Union eine Zukunft hat. „Ich glaube nicht, dass die Große Koalition gescheitert ist“, sagt Arnold. Denn Erfolge wie die Grundrente auf halber Strecke liegen zu lassen, wäre „wie ein großes Werk anzureißen, und sich dann in die Büsche zu schlagen“. In Arnolds Augen: „nicht sozialdemokratisch.“

Wenn der Parteitag am Freitag in Berlin losgeht, wird es darum gehen, ob die Mehrheit der Delegierten das auch so sieht. Die „SZ“ berichtet über einen geplanten Leitantrag, der diese große Frage offenbar möglichst klein halten soll. Darin steht der Satz: „Weder der Verbleib in einer Koalition noch der Austritt aus ihr sind ein Selbstzweck.“ Auch Arnold lässt durchblicken, dass er es besser fände, stattdessen mit der Union über neue Inhalte zur sprechen. „Die Notwendigkeit für Nachverhandlungen ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag selbst“, sagt der Jurist.

Zum Beispiel beim Klimaschutz. Und dieses Thema wird auch im vorläufigen Antragsentwurf angeschnitten. Doch Forderungen, bei denen von vornherein klar wäre, dass sie auf einen Bruch mit der Union hinauslaufen finden sich darin nicht. Ein schnelles GroKo-Ende scheint also unerwünscht. Und selbst der angehende Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans sagte der SPD-Zeitung „Vorwärts“: „Wir wollen nicht Hals über Kopf aus der Großen Koalition raus.“

Nur hatten das während des Kandidaten-Rennens wohl einige SPD-Mitglieder anders verstanden. Insbesondere viele Jusos haben Saskia Esken und Walter-Borjans klar mit dem Abschied vom verhassten Bündnis mit CDU und CSU verbunden – und deshalb stark unterstützt. Auch wenn das Gewinner-Duo nie versprochen hat, die Koalition zu verlassen, könnten ihre Unterstützer sich nun für dumm verkauft fühlen. Insbesondere, nachdem nun sogar der eigentlich GroKo-kritische Juso-Chef Kevin Kühnert moderate Töne anschlägt. „Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne Feststellung“, sagt er der „Rheinischen Post“. Die SPD-Delegierten sollten das bedenken, „weil Entscheidungen vom Ende her durchdacht werden müssen.“ Auch wenn Kühnert später betonte, das sei kein Votum für oder gegen die GroKo, war die Botschaft längst platziert.

Dass alle sie akzeptieren, ist unwahrscheinlich. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, „man habe sich mit scharfen Worten gegen die Große Koalition in Ämter wählen lassen und könne sich danach an nichts mehr erinnern“, betonte gestern der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“. Vertreter des linken Parteiflügels pochen bereits auf eine Entscheidung. Herbeigeführt werden könnte eine solche Abstimmung über die GroKo zum Beispiel in Form eines Initiativantrags auf dem Parteitag. Und dann kann vieles passieren. Denn die Delegierten sind in ihrer Entscheidung frei.

Das gilt theoretisch übrigens auch für die Wahl der Vorsitzenden. Denn das sind Esken und Walter-Borjans offiziell erst, wenn der Parteitag sie bestätigt hat. Und die Delegierten seien dabei nicht verpflichtet, dem Votum der Basis zu folgen, sagt Landtags-Fraktionschef Arnold. Es gebe „kein imperatives Mandat“. Dennoch habe er keine Zweifel daran, dass die Delegierten das Wahlergebnis der Basis bestätigen. Ganz einfach, weil es vernünftig sei. SEBASTIAN HORSCH

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