Angriff auf „das Herz unserer Gesellschaft“

von Redaktion

Helfer und Unbeteiligte werden immer wieder zu Opfern – Debatte um Videoüberwachung

München – Theo Zellner zeigt sich entsetzt. „Wer Einsatzkräfte attackiert, trifft das Herz unserer Gesellschaft“, reagierte der Präsident des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) gestern auf die zwei brutalen Attacken der vergangenen Tage. Am Freitagabend wurde ein Feuerwehrmann in Augsburg getötet. Er war bei einem privaten Weihnachtsmarktbesuch mit einer Gruppe junger Männer in Streit geraten. Einer von ihnen versetzte ihm den fatalen Schlag. Am Montagmorgen wurde dann auch noch ein Polizist am Münchner Hauptbahnhof hinterrücks mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt.

Auch wenn er selbst als BRK-Präsident solch drastische Fälle noch nicht erleben musste, weiß Zellner, wovon er spricht. Allein in diesem Jahr zählt das BRK bislang 52 offiziell gemeldete Fälle von Gewalt gegen Rettungsdienstmitarbeiter. Vier Mal wurden die Helfer mit Morddrohungen konfrontiert. In einem Fall wurde ein Mitarbeiter von einem Patienten sogar in den Würgegriff genommen und mit Gegenständen geschlagen. Anfang des Jahres schlug ein Angreifer zudem mit einer Eisenstange auf Einsatzfahrzeuge ein, berichtet das BRK. Statt ihre Arbeit machen zu können, mussten sich die Rettungskräfte in ihren Autos verbarrikadieren. „Dieser Entwicklung muss sich eine Gesellschaft geschlossen entgegenstellen“, betonte Zellner.

Erst im April 2017 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten“. Damit sollten Polizisten, Retter und Feuerwehrleute besser vor tätlichen Angriffen geschützt werden. Attacken auf sie können mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Doch das Problem beschränkt sich nicht auf Polizisten und Rettungskräfte. Jüngst hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) härtere Strafen auch für Gewalt gegen Ärzte und Pfleger gefordert – zum Beispiel in Notaufnahmen. Und der in Augsburg getötete Feuerwehrmann war als Privatperson unterwegs.

Gibt es also ein generelles Gewaltproblem in den bayerischen Städten?

Darüber und über mögliche Reaktionen auf die jüngsten Gewalttaten berät heute die bayerische Staatsregierung. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erwägt, die Polizeipräsenz zu erhöhen – und verweist auf den Erfolg von Videoüberwachung. Doch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri warnt davor, dieses Mittel massiv auszuweiten. Die Innenstädte dürften nicht mit Kameras zugepflastert werden. „Videoüberwachung muss die Ausnahme sein, die gerechtfertigt ist, aus dem Schutzgedanken heraus.“ Denn jede Kamera sei auch eine Verletzung der Bürgerrechte.

Das sieht Katharina Schulze, Grünen-Fraktionschefin im Landtag, ähnlich. „Punktuell an gewissen Stellen ist mehr Polizei sicher nicht schlecht“, sagte sie unserer Zeitung. „Aber man kann nicht an jede Ecke einen Polizisten stellen, oder eine Kamera anbringen.“ Sie setzt auf Gewaltprävention.

Auch Söders Koalitionspartner verfolgt zuerst einen anderen Ansatz. „Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir jugendliche Täter, die mit Körperverletzungsdelikten auffällig werden, gezielter im Auge behalten“, sagte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gestern unserer Zeitung. Häufig seien spätere „Totschläger und Mörder bereits polizeibekannt“.   S. HORSCH, M. SCHIER

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