„Die Lage der Republik hat sich verändert“

von Redaktion

Unionspolitiker begegnen der neuen SPD-Spitze mit Misstrauen – Erneute Absage an Nachverhandlungen

Berlin – Die Union lehnt Nachverhandlungen des Koalitionsvertrags mit der neuen SPD-Führung strikt ab. Die CDU sei vertragstreu, das erwarte sie auch vom Koalitionspartner, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gestern nach Sitzungen der Spitzengremien seiner Partei in Berlin. „Es wird keine Nachverhandlungen geben“, ergänzte er an die Adresse der SPD-Spitze um Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken nach dem Linksruck der Sozialdemokraten auf dem Parteitag vom Wochenende.

CSU-Chef Markus Söder warnte die Sozialdemokraten vor überzogenen Forderungen. In München sagte er nach einer Sitzung des Parteivorstandes: „Einen neuen Koalitionsvertrag gibt es nicht.“ Verträge müssten eingehalten werden. Weder eine Abschaffung der Schuldenbremse noch einen höheren Mindestlohn oder eine erneute Verhandlung des Bundeshaushalts werde es geben. Söder sagte voraus, dass Regieren in der Großen Koalition auf jeden Fall schwieriger werde. Die Deutschen wollten aber, dass die Koalition ihre Arbeit mache – eine Hängepartie und ein Siechtum wolle keiner. Die Lage der Republik habe sich verändert.

Die inhaltliche Kluft zwischen der Arbeit der SPD-Bundesminister und der neuen Parteispitze könnte laut Söder noch weitere personelle Konsequenzen mit sich bringen. „Sollte erkennbar sein, dass die Parteiführung auseinanderklafft mit den Mitgliedern der Bundesregierung, wird sich die Frage nach personellen Konsequenzen bei der SPD auch stellen.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ist dagegen optimistisch, dass die Union sich auf Gespräche über den weiteren Koalitionskurs einlässt. Seine Erfahrung zeige, dass CDU und CSU offen seien für Verhandlungen. Er stellte klar, dass der SPD-Parteitag keine Nachverhandlungen des Koalitionsvertrages beschlossen habe. Für Irritationen sorgte dagegen Saskia Esken. Zur Frage, wer in der SPD denn jetzt die Koalitionsgespräche mit der Union führen solle, also Partei- oder Fraktionsspitze, twitterte Esken selbstbewusst: „Tipp: Der Koa-Vertrag wurde zwischen den Parteien geschlossen.“ Für Mützenich und die Fraktion, in der Esken ohnehin nicht viele Fürsprecher hat, bedeutete dies einen Affront. Der Machtkampf in der SPD scheint auch nach dem Parteitag noch lange nicht beendet.

Ziemiak mahnte: „Die SPD muss aus dem Knick kommen“ und sagen, was sie wolle. Ein Abrücken von der schwarzen Null oder der Schuldenbremse im Grundgesetz werde es mit der Union nicht geben. Der Koalitionsvertrag gelte bis Ende der Legislaturperiode. Es sei auch noch einiges davon abzuarbeiten. Angesichts der Nachforderungen, die die neue SPD-Führung am Wochenende formuliert hatte, sagte Ziemiak, es gehe nicht um die SPD, es gehe um das Land. Im Koalitionsausschuss solle nun darüber geredet werden, was von den im Koalitionsvertrag festgelegten Vorhaben noch offen sei und was angegangen werden müsse, sagte Ziemiak. Im Gespräch ist ein Termin für den Ausschuss am 19. Dezember.

Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe, vermutet hinter den Forderungen gezielte Provokationen der Großen Koalition. „Man kann den Verdacht bekommen, dass von der SPD-Spitze jetzt bewusst inhaltliche Hürden aufgebaut werden, um später einen Bruch der Koalition zu begründen“, sagte er nach Angaben von Teilnehmern in einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Als Beispiel nannte auch er die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.

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