Berlin/München – Die Bundesregierung verspricht, dass sie alle nicht durch die Versicherung von Thomas Cook oder durch Kreditkartenunternehmen gedeckte Haftungsansprüche übernimmt. „Die Pauschalreisenden haben darauf vertraut, dass die ausgegebenen Sicherungsscheine ihre Schäden im Falle einer Insolvenz abdecken würden“, teilte die Regierung mit. Die für die Regulierung zuständige Zurich-Versicherung sagte, sie erstatte nur 17,5 Prozent der Ansprüche. Der Gesamtschaden betrage 287,4 Millionen Euro, die Zurich Gruppe Deutschland wolle aber nur 50,4 Millionen Euro erstatten, teilte das Unternehmen am frühen Abend in Köln mit. Knapp 60 Millionen Euro flossen demnach für den Rücktransport der Urlauber, die Haftungssumme betrage 110 Millionen Euro.
Müssen die Betroffenen jetzt von sich aus aktiv werden?
Erst einmal sollen die Geschädigten stillhalten. „Die Kunden müssen aktuell nicht selbst aktiv werden, um ihre Rechte zu wahren“, sagt ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Nähere Informationen über das angestrebte Verfahren will die Bundesregierung Anfang des kommenden Jahres bekannt geben. Für die Abwicklung werde ein einfaches und möglichst kostenfreies Verfahren angestrebt, erläutert der Sprecher.
Wann ist mit einer Erstattung zu rechnen?
Ein Zeitplan für die Rückerstattung ist derzeit nicht absehbar. Schnell wird es wohl nicht gehen, da erst einmal alle Ansprüche zusammengetragen werden müssen. Auch sollen die Kunden ihre Rechte im Gegenzug für die Auszahlung an den Bund abtreten, damit der Staat sie gegenüber Dritten, etwa der Zurich-Versicherung, durchsetzen kann. Dafür wäre eine Registrierung aller Geschädigten notwendig.
Warum übernimmt der Bund in diesem Fall finanzielle Risiken privater Freizeitvergnügen?
Die Bundesregierung sieht eine Reihe ungeklärter und komplizierter Rechtsfragen rund um die Insolvenz des Veranstalters. „Es ist den Kundinnen und Kunden nicht zumutbar, dass sie jeweils auf sich gestellt für die Klärung sorgen müssen“, begründet das Kabinett seine Entscheidung. Dazu gehört die Frage, ob die Haftungssumme überhaupt richtig berechnet wurde. Mitentscheidend war wohl auch die Gefahr, dass eine Haftung des Staates von klagenden Kunden erzwungen werden kann, weil die Bundesregierung die Reiserichtlinie der EU nicht vollständig umgesetzt, sondern einen viel zu niedrigen Haftungsdeckel zugelassen hat. Der Rechtsdienstleister Myright wollte kommende Woche eine Massenklage dazu einreichen.
Droht die Gefahr einer Wiederholung, wenn ein weiterer, großer Reisekonzern Insolvenz anmelden müsste?
Nach geltendem Recht besteht die Haftungsobergrenze unverändert fort. Bei einer derzeit zum Glück nicht absehbaren Pleite eines weiteren großen Veranstalters könnte es daher erneut zu einer nur geringen Entschädigung betroffener Reisender kommen. Die Insolvenzsicherung wird als Folge der Erfahrungen mit Thomas Cook geändert. „Wir arbeiten mit Hochdruck an einer neuen Lösung“, versichert der Sprecher.
Wie geht es weiter?
Auch wenn die Kunden bald ihr Geld zurückerhalten sollten, drohen lange Rechtsstreitigkeiten. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, ob die von der Zurich-Versicherung bezahlten Rückholkosten gestrandeter Urlaub Teil der Haftungssumme sind oder die Versicherung sie extra bezahlen muss. Auch wird es vor Gericht um die Frage gehen, ob die Versicherung sehendes Auges eine Unterdeckung des Risikos in Kauf nahm und dafür in Regress genommen werden kann.