„Damit bin ich am Ende …“

von Redaktion

Die Kanzlerin beantwortet im Bundestag allerlei Fragen und muss sich bei der AfD zusammenreißen

Berlin – Angela Merkel (CDU) spaziert schon ein paar Minuten vor Beginn in den Plenarsaal. An ihrem angestammten Platz auf der Regierungsbank stellt die Kanzlerin ihre Handtasche ab, nimmt einen Schluck aus dem Wasserglas, um dann ein paar Hände zu schütteln. Ich bin gut drauf, soll das wohl heißen.

Wenige Tage vor Weihnachten soll Merkel den Abgeordneten eine Stunde lang persönlich Rede und Antwort stehen. Es ist bereits das fünfte Mal seit der Neuauflage der Großen Koalition. Mit der Übung will man dem Parlamentsalltag mehr Würze geben. Mehr direkte Rede und Gegenrede, mehr Spontaneität. Ohne Spielregeln geht es aber trotzdem nicht.

Gewissermaßen zum Warmlaufen darf Merkel fünf Minuten lang über ein selbst gewähltes Thema reden. Diesmal geht es um den jüngsten EU-Gipfel, der sich mit dem Klimaschutz beschäftigte. Allerdings nur eher halbherzig, wie Merkel auch einräumt. Nach den Regularien können dazu Fragen gestellt werden. Und danach zu allen möglichen anderen Themen. 60 Sekunden hat ein Abgeordneter dafür maximal Zeit. Merkels Antwort darf dieses Limit ebenfalls nicht überschreiten.

Immerhin kommen dadurch fast zwei Dutzend Abgeordnete zu Wort. Und es geht quer durch den politischen Gemüsegarten. Vom Klimapaket über den Investitionsstau bis hin zur Bonpflicht für Händler und der Gemeinnützigkeit von Vereinen. Beim Thema Windkraft redet sich die SPD-Abgeordnete Nina Scheer derart in Fahrt, dass der Sitzungspräsident eingreifen muss. Sie sei schon 50 Prozent über der Zeit, mahnt Wolfgang Schäuble (CDU). Merkel zeigt sich darüber fast amüsiert. Ob ihre Antwort jetzt auch eine Minute und 30 Sekunden lang sein dürfe, fragt sie spitzfindig zurück. An anderer Stelle schließt die Kanzlerin mit den Worten: „Damit bin ich am Ende…“, was ebenfalls Heiterkeit auslöst.

So wird die Fragestunde über weite Strecken zu einer launigen Veranstaltung. Merkel lässt sich kaum aus der Ruhe bringen. Auch dann nicht, wenn ihre Antworten nach dem Geschmack einiger Fragesteller unbefriedigend ausfallen. Was sie gegen die geringe Zahl weiblicher Bundestagsabgeordneter tun wolle, möchte jemand von den Grünen wissen. Da wolle sie den Beratungen der Koalitionsfraktionen nicht vorgreifen, sagt die Kanzlerin. Auch als ein FDP-Mann auf die Passwort-Sicherheit im Internet zu sprechen kommt, bleibt sie vage („Ich werde mich technisch kundig machen“).

Der Versuch, Merkel richtig ins Schwitzen zu bringen, geht von der AfD aus. Der Abgeordnete Gottfried Curio nimmt den gewaltsamen Tod eines Feuerwehrmannes in Augsburg zum Anlass für eine Generalabrechnung mit der Flüchtlingspolitik. Die Kanzlerin entgegnet, „dass Deutschland sehr vielen Menschen in Not geholfen hat“ und man auch um die „Steuerung der Migration“ wisse. Als ein Fraktionskollege Curios später den deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen in die antisemitische Ecke rückt und von „finsteren Mächten“ spricht, ist Merkel spürbar aufgebracht. „Ich weise die Wortwahl ihrer Fragestellung entschieden zurück.“

Schließlich erfährt man noch, dass Merkel im Kampf gegen Steuerbetrug an der Bonpflicht festhält und trotz Maut-Debakels zum zuständigen CSU-Minister steht („Ich finde, dass Andi Scheuer eine sehr gute Arbeit macht“). Dann ist die Fragestunde auch schon vorbei. „Es sind 65 Minuten geworden, aber auch schön“, sagt die Kanzlerin. STEFAN VETTER

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