Washington/Moskau – Auf den letzten Metern wollen die USA die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland noch stoppen. Dazu verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz mit Sanktionen gegen die Leitung. Nun fehlt nur noch die Unterschrift von Präsident Donald Trump. Allerdings dürfte das Projekt, das rund zehn Milliarden Euro kostet, kaum noch aufzuhalten sein. Es ist kurz vor der Fertigstellung. Moskau sieht in den Sanktionen einen Versuch Washingtons, US-Energieinteressen zu verfolgen, um teureres Flüssiggas auf den EU-Markt zu bringen.
Nach dem Repräsentantenhaus stimmte am Dienstag auch der Senat mit großer Mehrheit für ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA), in dem das Sanktionsgesetz eingefügt worden war. Trump hatte bereits vorab angekündigt, das Gesetzespaket zu unterzeichnen, sobald es auf seinen Schreibtisch komme.
Kanzlerin Angela Merkel steht den Sanktionen zurückhaltend gegenüber. Sie sagte gestern: „Ich sehe auch keine andere Möglichkeit, als Gespräche zu führen, aber sehr entschiedene Gespräche, dass wir diese Praxis nicht billigen, dass diese exterritorialen Sanktionen wirken.“ Die Bundesregierung sei generell gegen exterritoriale Sanktionen. Deutschland und Europa beziehen bereits durch Nord Stream 1 Gas aus Russland sowie über Transitleitungen durch die Ukraine.
Die Ukraine ist gegen Nord Stream 2, weil sie um ihre Position als wichtigstes Transitland fürchtet. Sie begrüßt deshalb Sanktionen. Auch mehrere EU-Länder sind wegen der wachsenden Marktmacht Russlands gegen die Pipeline. Der russische Gasmonopolist Gazprom will ab 2020 unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas nach Deutschland liefern.
Bislang wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2100 Kilometer des Doppelstrangs verlegt. Rund 300 fehlen noch. Der Abschluss könnte sich verzögern, weil Russland sich womöglich andere Spezialschiffe suchen muss, um die Leitungen am Boden der Ostsee zu verlegen.
Zu stoppen sei Nord Stream 2 nicht mehr, hieß es in Moskau. „Wir gehen davon aus, dass das Vorhaben vollendet wird“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Sanktionen seien ein ideales Beispiel „gewissenloser Konkurrenz“ mit dem Ziel, Europa ein teureres Produkt anzudienen. Gemeint ist Flüssiggas aus den USA, das mehr kostet als russisches Pipeline-Gas.
Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Russland begeben würde. Die Sanktionen zielen auf die Betreiberfirmen der Schiffe ab, mit denen die Rohre verlegt werden. Auch Turkish Stream – eine russische Pipeline, die durch das Schwarze Meer Gas in die Türkei bringen soll – wäre betroffen.
Das Gesetz sieht vor, dass der US-Außenminister in Absprache mit dem Finanzminister dem Kongress binnen 60 Tagen berichtet, welche Schiffe eingesetzt werden und welche Firmen diese Schiffe zur Verfügung gestellt haben. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Bestehende Visa sollen widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen, die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA beziehen, sollen blockiert werden können.