Berlin/Washington/Moskau – Die US-Sanktionen gegen die russische Ostseepipeline Nord Stream 2 sind trotz massiven Protests aus Deutschland in Kraft getreten. Damit dürfte sich auf den letzten Metern die Fertigstellung der Leitung mit Kosten von zehn Milliarden Euro verzögern. Die Schweizer Firma Allseas, die mit ihren Spezialschiffen die Gasröhren am Boden der Ostsee verlegt, kündigte an, „in Erwartung der Verfügung“ die Arbeiten zunächst auszusetzen. Das Nord-Stream-2-Konsortium erklärte, „zusammen mit unseren Partnerfirmen arbeiten wir an der schnellstmöglichen Fertigstellung des Projektes“. Die Pipeline sei wesentlicher Bestandteil der europäischen Versorgungssicherheit.
Vizekanzler Olaf Scholz verurteilte das Vorgehen der USA. „Solche Sanktionen sind ein schwerer Eingriff in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas.“ Auf Gegensanktionen will die Bundesregierung aber verzichten.
Russland wolle das Projekt wie alle seine wirtschaftlichen Vorhaben trotz der US-Sanktionen umsetzen, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Die USA gingen mit den von Präsident Donald Trump unterzeichneten Strafmaßnahmen vor allem gegen ihre eigenen Verbündeten in Europa vor. Washington hindere die Europäer so nämlich am Zugang zu einer Gasversorgung für akzeptable Preise, hieß es. Das russische Leitungsgas ist deutlich preisgünstiger als das in den USA etwa durch Fracking gewonnene und für den Export verflüssigte Gas.
Die US-Strafmaßnahmen im „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ zielen auf die Betreiberfirmen spezialisierter Schiffe ab, mit denen die Rohre durch die Ostsee verlegt werden. Ziel ist es, die Fertigstellung noch zu verhindern. Auch einige EU-Staaten, darunter Polen, lehnen das Projekt ab. Die Ukraine begrüßte die Sanktionen ebenfalls. Sie fürchtet durch Nord Stream 2 um ihre Position als Transitland Nummer eins für russisches Gas in die EU.
Russland und die Ukraine verkündeten am Samstag kurz nach Inkrafttreten der Sanktionen eine Einigung auf einen neuen Gastransitvertrag bis 2024. Damit wird – wie von Deutschland gewünscht und begrüßt – die Ukraine weiter als Transitland genutzt. Allerdings wird der russische Gasmonopolist Gazprom künftig – unter Einrechnung der Kapazität von Nord Stream 2 – von 2020 an deutlich weniger Gas durch die Ukraine pumpen. Bisher liegt die Transitmenge bei 90 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, künftig im Durchschnitt bei etwa der Hälfte.
Unterm Strich verliert die klamme Ukraine, die dringend auf die Milliardengebühren aus dem Transit angewiesen ist, Einnahmen. Russland dürfte nach Fertigstellung von Nord Stream 2 mit der Jahreskapazität von 55 Milliarden Kubikmeter Gas bald noch mehr in Europa verkaufen. Durch Nord Stream 2 spart Russland zudem Transitgebühren. Für die 1200 Kilometer lange Doppelstrang-Strecke wurden nach Angaben des Konsortiums bereits mehr als 2100 Kilometer Rohre verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Russische Medien berichteten, dass Russland notfalls auf eigene Schiffe zur Fertigstellung der Pipeline zurückgreifen könne.