Köln/München – „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ gehört zu den Klassikern der lustigen Kinderlieder. Nun aber hat der WDR mit einer von seinem Kinderchor gesungenen satirischen Verballhornung des Liedes eine Welle der Empörung ausgelöst. Stein des Anstoßes ist der Refrain: „Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau.“ Ein sogenannter Shitstorm im Netz mit hunderttausend Kommentaren bei Facebook und Twitter zog über den Westdeutschen Rundfunk hinweg. Der WDR löschte das Video von der WDR2-Facebookseite und entschuldigte sich „für die missglückte Aktion“.
In dem Video sangen 30 Mädchen im Studio unter anderem: „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Das sind tausend Liter Super jeden Monat. Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau.“ Und: „Meine Oma fährt mit ‘nem SUV beim Arzt vor, überfährt dabei zwei Opis mit Rollator.“ Auch die Themen billiges Discounterfleisch und Kreuzfahrten werden besungen. Am Ende des Videos sieht man Mädchen mit ernstem Blick die Lippen bewegen und hört die Stimme der Umweltaktivistin Greta Thunberg: „We will not let you get away with this“ (Wir lassen Euch damit nicht davon kommen).
Ungewöhnlich diesmal: In sehr schneller Folge schalten sich führende Politiker ein. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) machte seiner Entrüstung über die Umweltsatire Luft. Der WDR habe mit dem Lied „Grenzen des Stil und des Respekts gegen über Älteren überschritten“, twitterte Laschet. „Jung gegen Alt zu instrumentalisieren, ist nicht akzeptabel.“ Sein Parteifreund Wolfgang Bosbach warf dem WDR vor, den „Unterschied zwischen witzig und peinlich“ nicht zu kennen. Die Jungen Liberalen reihten die „Umweltsau“-Strophen ein in ihre Generalkritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, in der CDU weit rechts stehend, forderte den Rücktritt des Intendanten. Selbst Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) griff ein. „Diese Respektlosigkeit gegenüber unseren Eltern, Großeltern, Traditionen, Werten und unserem Land hat Methode“, sagte Aiwanger. So etwas untergrabe die Gesellschaft.
Die Reaktionen des Senders waren unterschiedlich. Für zusätzlichen Wirbel sorgte ein freier WDR-Mitarbeiter mit einem Tweet, in dem er der Oma-Generation vorwarf, hier gehe es weniger um „Umweltsau“ als vielmehr um „Nazisau“. Für den Sender sprach er damit allerdings nicht, der WDR kritisierte den Tweet scharf. WDR-Intendant Tom Buhrow ließ sich per Telefon in eine Sendung von WDR2 zuschalten. Dort bezeichnete er das „Video mit dem verunglückten Oma-Lied“ als Fehler. „Ich entschuldige mich ohne Wenn und Aber dafür.“ Buhrow schilderte, er stehe gerade im Krankenhaus am Bett seines Vaters (92). Dieser habe immer hart gearbeitet: „Er ist keine Umweltsau.“
In der Sendung entschuldigte sich auch WDR2-Programmchef Jochen Rausch mehrmals. „Wir haben mit einem großen Hammer auf einen relativ kleinen Nagel geschlagen“, sagte er. Man habe das Wort „Umweltsau“ in Verbindung gebracht mit der „lieben Oma“, die abends Geschichten vorlese. „Das drückt bei vielen Menschen den roten Knopf“, so Rausch. Man habe nicht mit der „nötigen sprachlichen Feinheit“ gearbeitet und „nicht lange genug nachgedacht“.
Seniorenverbände reagieren irritiert, aber besonnen. „Natürlich gibt es jetzt in den Familien am Frühstückstisch Diskussionen über den Klimaschutz – aber das ist kein Generationenkonflikt, sondern die unterschiedlichen Meinungen gehen da quer durch Alt und Jung“, sagte Ulrike Mascher, die Vorsitzende des VdK Bayern, unserer Zeitung: „Es gibt ja auch genug Großeltern, die mit ihren Enkelkindern fürs Klima demonstrieren gehen.“ Die 81-Jährige sagte, sie könne gut verstehen, dass sich viele Menschen darüber aufregen. „Aber ich kann nur zur Gelassenheit raten: Einen Generationenkrieg gibt es wegen so einer missglückten Satire garantiert nicht.“