Eisiger Neujahrsgruß aus Seeon

von Redaktion

Bei ihrer Winterklausur in Seeon heizt die CSU eine Minister-Debatte an. Die Große Koalition in Berlin brauche neuen Schwung, verlangt Parteichef Söder. Die Reaktion in der CDU ist vorerst kühl.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND CHRISTOPH TROST

Seeon – Jedes Wort sorgt für Wölkchen in der eiskalten Abendluft. Es ist ungemütlich kühl auf dem Vorplatz des Klosters, einen Steinwurf neben dem zugefrorenen See. Wer kann, hetzt ins geheizte Innere der Abtei. Markus Söder bleibt, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, ausdauernd draußen stehen und gibt Interviews. Er hat da etwas mitzuteilen, was mindestens so frostig ist wie das Wetter.

Vom idyllischen Seeon aus, wo die Bundestags-CSU am Montag zur Winterklausur zusammengekommen ist, sendet der Parteichef eine eiskalte Neujahrsbotschaft nach Berlin: „Es wird nicht reichen, wenn die Bundesregierung nur schaut, wie sie die Zeit rumbringt.“ Er fordert einen neuen inhaltlichen Aufbruch und eine personelle Erneuerung und „neuen Schwung“ für die GroKo. Und schiebt den Halbsatz nach: „wenn sie denn bleibt“.

Söder lässt es zum Jahresbeginn also krachen. Bisher hatte der CSU-Chef kaum über Berlin gemotzt, sondern von Stabilität und enger Abstimmung mit der CDU gesprochen. Jetzt wählt er den Alleingang: Ohne vorherige Absprache mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer oder mit Kanzlerin Angela Merkel zählt Söder mindestens zwei Minister indirekt an. Ohne Namen zu nennen, beklagt er Defizite in der Wirtschafts- und Innovationspolitik. Gemeint sind die CDU-Minister Peter Altmaier und Anja Karliczek. Für beider Arbeit findet Söder in kleinen Runden sehr klare Worte. Vor laufenden Kameras merkt er knapp an, es sei deutlich, dass Deutschland wirtschaftlich und technologisch zurückfalle.

„Nicht jeder Vorstoß muss zur Genehmigung vorgelegt werden“, sagt Söder, wenn man ihn nach dem Alleingang fragt. Spannend wird nun, was Kramp-Karrenbauer dazu sagt. Sie wird am heutigen Dienstag als Gast in Seeon erwartet. Hinter den Kulissen heißt es, womöglich habe Söder sehr deutlich ausgesprochen, was sie sich nicht getraut habe. Die beiden Minister sind auch CDU-intern nicht unumstritten.

Von der Kanzlerin ist bekannt, dass sie Kabinettsumbildungen mit größter Zurückhaltung gegenübersteht. Dass sie einen so engen Vertrauten wie den Saarländer Altmaier einfach abservieren würde, gilt als nahezu ausgeschlossen. Sie lässt aber durch einen Sprecher ausrichten, gewiss sei es so, „dass wir dabei an manchen Stellen auch noch Tempo oder Dynamik zulegen können“, etwa bei der Digitalisierung.

In der Union gilt nun, falls die Koalition nicht eh platzt, ein größerer Tausch vor Sommer als wahrscheinlichste Lösung – auch zwischen CSU und CDU. Söder hätte gern das Agrarministerium zurück, würde wohl keinem „seiner“ Ressorts (Innen, Verkehr, Entwicklung) eine Träne nachweinen. Zudem deutet er an, dass er auch eigene Bundesminister infrage stellt. „Große Ernsthaftigkeit“ und volle Aufklärung verlangt er beim Maut-Debakel von Verkehrsminister Andreas Scheuer: „Die Maut darf nicht zu einer dauerhaften Hypothek werden.“ Auf Seehofer, im 71. Lebensjahr, zielen die Aussagen, insgesamt brauche die Regierung eine Verjüngung. Klar ist allerdings: Freiwillig mag keiner der Angesprochenen weichen. Es mag Zufall sein: Aber Seehofer, der sonst allen Sitzungen der Abgeordneten systematisch fernbleibt und auch nicht Mitglied des Bundestags ist, lässt sich diesmal eilig nach Seeon bringen.

Mit dem Ruf nach der Kabinettsumbildung hat Söder, eigentlich im Kloster nur Gast, die Schlagzeilen-Hoheit über die Klausur gekapert. Mit den inhaltlichen Beschlüssen der CSU-Abgeordneten um Alexander Dobrindt ist er derweil voll zufrieden. Er lobt ausdrücklich den neuen Renten-Vorstoß aus Dobrindts Feder. Demnach soll der Staat bis zum 18. Lebensjahr für jedes Kind einen Beitrag von 100 Euro pro Monat in einen Generationen-Pensionsfonds einzahlen. Über die Höhe könne man reden, sagt Söder, die Richtung stimme. Für Seeon 2020 sind das ungewöhnlich warme Worte.

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