Teheran – Menschenmassen ziehen durch Teheran. In Schwarz gekleidet und mit Trauer im Gesicht nehmen sie am Montag in der iranischen Hauptstadt Abschied vom getöteten Top-General Ghassem Soleimani, der bei einem US-Raketenangriff starb. Die Wut auf US-Präsident Donald Trump ist groß, selbst unter den Iranern, die ihre eigene Führung nicht unterstützen. Für Teheran ist die Zeremonie auch eine Demonstration der Einheit und Entschlossenheit.
Es gibt kaum Zweifel, dass der Iran für den Tod seines hohen Militärführers Vergeltung suchen wird. Dann droht der Region eine neue Spirale von Gewalt. Soleimani hat ein dichtes Netz Verbündeter aufgebaut, die Racheaktionen übernehmen könnten: die Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon, paramilitärische Gruppen und die Regierung in Syrien, die Huthi-Rebellen im Jemen – vor allem aber zahlreiche schiitische Milizen im Irak, die sogenannten Volksmobilisierungskräfte. In der Krise zwischen Teheran und Washington rückt der Irak immer weiter in den Fokus. Dort wurde nicht nur Soleimani getötet.
Der Irak bietet sich aus iranischer Sicht für eine Vergeltung an, denn hier ist Teherans Einfluss stark – und zugleich sind dort noch rund 5000 US-Soldaten stationiert. Unverblümt warnte Trump Teheran vor Rache – und drohte mit dem Angriff auf dutzende iranische Ziele, darunter kulturell bedeutende Orte. Der Iran gab seinerseits bekannt, dass er sich nicht mehr an das Atomabkommen gebunden sieht.
Die Risiken einer Eskalation sind gewaltig – warum hat Trump es trotzdem gewagt, die Krise zu entfesseln? Spätestens seit der versuchten Erstürmung der US-Botschaft in Bagdad stand Trump parteiintern unter Druck, auf Provokationen zu reagieren. Trump könnte außerdem darauf hoffen, dass sich das gespaltene Land hinter dem Präsidenten sammelt.
Die USA sind zehn Monate vor der Wahl tief gespalten. Ein Grund dafür ist das von den Demokraten angestoßene Amtsenthebungsverfahren, dem sich Trump stellen muss. Ist die Iran-Krise ein gezieltes Manöver, um davon abzulenken? Mit einem Tweet nährte Trump diesen Verdacht am Montag, als er das Amtsenthebungsverfahren erneut beklagte. „Zu diesem Zeitpunkt in unserer Geschichte, wo ich derart beschäftigt bin, Zeit mit diesem politischen Schwindel zu verschwenden, ist traurig!“
Trump fand dennoch Zeit, weitere Drohungen auszusprechen. Für den Fall eines feindseligen Rauswurfs der US-Soldaten aus dem Irak könnten Sanktionen „wie nie zuvor“ verhängt werden. Gestern Abend gab es eine neuerliche Wende: Die US-Armee bereitet womöglich einen Abzug ihrer Soldaten aus dem Irak vor. „Wir respektieren Ihre souveräne Entscheidung, unseren Abzug anzuordnen“, schrieb der Leiter des US-Militäreinsatzes im Irak, General William Seely, in einem Brief an die irakische Armeeführung. US-Verteidigungsminister Mark Esper widersprach den Plänen.
Der Einsatz der etwa 120 deutschen Soldaten, die für die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte im Land sind, hängt dadurch in der Luft. Bei einem Abzug des Hauptquartiers der Anti-IS-Koalition aus Bagdad steht der ganze internationale Einsatz gegen die Dschihadisten infrage, wird in Berlin betont. Deswegen will die deutsche Regierung den Irak in Gesprächen für eine gemeinsame Fortsetzung gewinnen, gleichzeitig aber auch die Sicherheitsinteressen der eigenen Soldaten fest im Blick behalten. Keinesfalls wolle man gegen den Willen von Parlament und Regierung im Irak bleiben, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.