Kamp-Lintfort – Aus Solidarität mit dem Bürgermeister von Kamp-Lintfort, Christoph Landscheidt (SPD), sind in der Stadt am Niederrhein am Wochenende mehrere Hundert Menschen auf die Straße gegangen. Anlass für die Demonstration war eine gleichzeitige Kundgebung der Partei Die Rechte gegen Landscheidt. Nach Angaben der Polizei waren etwa 700 Menschen zu der Gegenkundgebung gekommen, die Veranstalter sprachen von etwa 1000 Teilnehmern. An der Demonstration der Rechten beteiligten sich laut Polizei etwa 25 Personen.
Landscheidt hatte einen Waffenschein beantragt, um sich gegen Bedrohungen zu schützen und klagt vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht, nachdem ihm dieser von der zuständigen Behörde verweigert worden war. Er werde seit dem Europa-Wahlkampf, „bei dem ich volksverhetzende Plakate habe abhängen lassen, massiv aus der rechten Szene bedroht“, hatte er mitgeteilt. Den Waffenschein habe er beantragt, um Angriffen gegen sich und seine Familie nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Er habe nicht vor, „bewaffnet durch die Straßen zu ziehen“.
Der Fall hat eine erneute Debatte insbesondere über die Sicherheit von Kommunalpolitikern ausgelöst. Die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger hat sich 2019 laut einem Bericht in mehreren Bundesländern deutlich erhöht. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtete, wurden beispielsweise in Niedersachsen 167 solcher Straftaten registriert – 59 mehr als im Vorjahr. In Ostdeutschland ist die Entwicklung laut „WamS“ teils noch besorgniserregender. Thüringen meldete mehr als eine Verdopplung der Taten gegen Amts- und Mandatsträger. Dort registrierte die Polizei im vergangenen Jahr dem Bericht zufolge 101 Straftaten im Vergleich zu 43 im Jahr 2018. Außerdem habe sich die Zahl der Straftaten in Sachsen mit 197 fast verdoppelt (2018: 99). Einen Rückgang der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger meldet dem Bericht zufolge hingegen Bayern, wo die Zahl auf 134 (2018: 232) gesunken sei.
Oft sprechen die betroffenen Bürgermeister nicht öffentlich über das Problem. Auch wenn der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert, sie sollten Hetze und Drohungen offen thematisieren, denn nur dann könne sich die „schweigende Mehrheit“ hinter sie stellen. Nach Informationen des Verbandes wird inzwischen jeder fünfte Kommunalpolitiker angefeindet.
Der Kamp-Lintforter Bürgermeister, der selbst Richter war, beklagt, dass die „vorhandenen gesetzlichen und rechtlichen Möglichkeiten gegen Verfassungsfeinde und Straftäter“ nicht ausgeschöpft werden. Es sei nicht vertretbar, „wenn gegen Bürgermeister, die volksverhetzende Plakate abhängen, ihrerseits wegen Sachbeschädigung und Wahlfälschung ermittelt wird, während das Verfahren wegen Volksverhetzung und anderer Delikte kurzerhand eingestellt wird“. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte im vergangenen Jahr Ermittlungen gegen Die Rechte unter anderem wegen eines Plakats mit der Aufschrift „Israel ist unser Unglück“ abgelehnt.
CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte der „Rheinischen Post“ , die Bundesregierung habe „die zunehmende Bedrohung von Kommunalpolitikern sowohl im digitalen Raum als auch in der realen Welt im Blick“. Er verwies auf ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität. dpa/afp