Berlin – Frohe Kunde für die Regierung in Berlin: Der Bundeshaushalt verzeichnete im vergangenen Jahr einen Rekordüberschuss von 13,5 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) verspricht mehr Investitionen. Dabei fließen manche Gelder schon jetzt nicht ab. Und bei Union und FDP will man lieber Steuersenkungen damit finanzieren. Streit ist programmiert.
„Wir hatten ein bisschen Glück“, sagte der Kassenwart am Montag und lächelte in die Kameras. Aber „natürlich“ habe man auch „gut gewirtschaftet“. Anlass für das Eigenlob ist ein neuer Rekord: 2019 überstiegen die Einnahmen des Bundes die Ausgaben um 13,5 Milliarden Euro. So groß war das Plus in der Bundeskasse noch nie seit der Wiedervereinigung. Der letzte Rekord stammt aus dem Jahr 2015. Damals wurden Überschüsse in Höhe von 12,1 Milliarden Euro erzielt. Dass der Bund bereits zum sechsten Mal in Folge keine neuen Schulden machte, geriet da fast schon zur Randnotiz. Vor allem jüngere Menschen würden kaum verstehen, warum das noch erwähnenswert sei, hieß es scherzhaft im Finanzministerium. In Wirklichkeit ist es noch gar nicht so lange her, dass der Bund tief in den Miesen steckte. 2013 musste er noch Kredite im Umfang von mehr als 22 Milliarden Euro aufnehmen, um seine Ausgaben zu decken. 2010 waren es sogar 44 Milliarden Euro.
Zu den 13,5 Milliarden Euro kommen noch weitere 5,5 Milliarden hinzu, die entgegen der ursprünglichen Planung nicht aus der sogenannten Asylrücklage entnommen werden mussten – auch sie wurden schlicht nicht gebraucht. Teile dieses Geldes sind aber schon wieder für die Zukunft verplant. Mit den zusätzlichen Mitteln sollen laut Scholz die Investitionen etwa in Schulen oder für den Klimaschutz „auf Rekordniveau verstetigt werden“.
Das Vorhaben hat jedoch gewisse Tücken, weil viele Investitionsmittel schon jetzt nicht abfließen. Vor allem bei dem Geld, das für Länder und Kommunen gedacht sei, hake es noch, hieß es aus dem Finanzressort. Scholz will sich deshalb für bessere Planungskapazitäten starkmachen sowie für eine Vereinfachung des Bau- und Vergaberechtes.
Ein weiterer Aspekt für die gute finanzielle Bilanz des Bundes sind die niedrigen Zinsen, um alte Kredite zu bedienen. Allein in den letzten sechs Jahren hat sich die Zinslast für den Bund mehr als halbiert. 2019 musste er nur noch 11,9 Milliarden Euro dafür aufwenden. Viel weiter nach unten könne es aber nicht mehr gehen, hieß es im Finanzministerium.
Der neue Spielraum in der Kasse weckt naturgemäß alte Begehrlichkeiten bei der Union. Dort pocht man schon länger auf Steuerentlastungen aller Art. „Angesichts der schwierigen konjunkturellen Lage müssen wir endlich eine Senkung der Unternehmenssteuern und den endgültigen Abbau des Solidaritätszuschlags ab 2022 in Angriff nehmen“, meinte Unionshaushälter Eckhard Rehberg. Ähnlich argumentierte gestern auch die FDP. Scholz hat dafür offenbar kein Verständnis. Als der Sozialdemokrat am Ende seines Pressestatements eine entsprechende Frage gestellt bekam, ging er wortlos davon. STEFAN VETTER