Rom – Manchmal wird die Fiktion von der Realität eingeholt. In der Netflix-Produktion „Die zwei Päpste“ belauern sich Benedikt XVI. (Anthony Hopkins) und der spätere Papst Franziskus (Jonathan Pryce), zwei grundverschiedene Männer: Hier der Intellektuelle aus Deutschland, der sich beim Klavierspiel und der Serie „Kommissar Rex“ entspannt. Dort der joviale Argentinier, der Fußball und Tango liebt.
Manch ein Zuschauer mag sich gefragt haben, ob der Film nicht hier und da zur Papst-Posse abgleitet. Doch der Konflikt, der sich derzeit zwischen den beiden realen Männern entfaltet, stellt das Filmdrama fast in den Schatten. Auch wenn der „Papa emeritus“ nun zurückrudert: Seine Äußerungen zum Zölibat schlagen hohe Wellen.
Bevor der aktuelle Pontifex seine Worte zu dem Streitthema in einem „postsynodalen Schreiben“ verkünden konnte, kam ihm sein 92 Jahre alter Vorgänger zuvor und warnte vor einer Priesterweihe von Verheirateten. Ein Affront. Gestern dann zog Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein die Notbremse.
Der Ex-Papst habe gar nicht als Co-Autor des Buches „Des profondeurs de nos cœurs“ („Aus den Tiefen unserer Herzen“) auftreten wollen. Folglich wolle er sein Bild auf dem Titel und seine Unterschrift in Einleitung und Nachwort entfernt sehen. Es sei alles ein „Missverständnis“, beteuert Gänswein. Allerdings habe der emeritierte Papst tatsächlich den Text über den Zölibat verfasst. Nur über die Aufmachung sei er sich nicht im Klaren gewesen. Inhaltlich gibt es also keine Änderungen.
Es ist für alle Beteiligten ein PR-GAU. Im Mittelpunkt steht der konservative Kardinal Robert Sarah, im Vatikan als Franziskus-Gegner bekannt. Der Chef der Gottesdienstkongregation hat das Buch verfasst, das heute erscheinen soll. Nun wehrt er sich gegen den Vorwurf, Benedikt für seine Zwecke eingespannt zu haben. Um das zu belegen, twittert er Briefe, die zeigen, dass Benedikt durchaus von der geplanten Veröffentlichung wusste. Sarah spricht von „Lügen“ und „Verleumdung“.
Der Skandal zeigt, wie sehr Intrigen die Arbeit von Franziskus untergraben und welchen Widerstand es von konservativen Kirchenmännern gibt. Dass Benedikt von diesen auch instrumentalisiert wird, kritisieren Kirchenkenner seit Langem. Sein Umfeld müsste das eigentlich zu verhindern wissen. Denn das Problem mit den zwei Päpsten erschwert das „Regieren“ im Vatikan seit Benedikts Rücktritt im Februar 2013. Damals versprach er dem Nachfolger „bedingungslose Ehrerbietung und meinen bedingungslosen Gehorsam“. Es kam anders.
„Zwei Päpste sind einer zu viel“, findet der Priester Thomas Reese, der für mehrere katholische Medien schreibt. „Als Erstes sollte der zurückgetretene Papst nicht mehr länger Papst heißen.“ Er sollte vielmehr der „emeritierte Bischof von Rom“ sein, den Status eines Kardinals im Ruhestand haben und wieder seinen bürgerlichen Namen annehmen. Stattdessen wird er noch „Seine Heiligkeit Benedikt XVI.“ angesprochen.
Auch unter deutschen Katholiken muss Benedikts Wortmeldung als Störfeuer empfunden werden, dort ist der Streit zwischen Progressiven und Konservativen nämlich voll im Gang: Die katholische Kirche hat dort am 1. Dezember einen auf zwei Jahre angelegten Reformprozess begonnen, den Synodalen Weg. Einer der vier Hauptpunkte ist der Zölibat. Könnten Benedikts Äußerungen den Synodalen Weg bremsen? „Ich glaube das nicht“, sagt Norbert Bauer, Leiter der katholischen Karl Rahner Akademie in Köln. „Die Verärgerung darüber ist so groß, dass sie beim Synodalen Weg sogar eher die Konservativen schwächen könnte.“