München – Vom letzten Besuch einer SPD-Vorsitzenden im Landtag sind der Nachwelt ein paar aussagekräftige Bilder geblieben. Andrea Nahles steht da neben der bayerischen SPD-Chefin Natascha Kohnen. Man versucht zu lächeln, aber es will nicht ganz gelingen. Kein Wunder: Hinter den Kulissen hatte es eben mächtig gekracht. Nahles wollte in Berlin mit der CSU im Streit um den Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen einen Kompromiss finden. Kohnen, damals noch Bundes-Vize, lehnte das entschieden ab. Zu groß war der Unmut an der Basis. Nahles verlor den Machtkampf. Vermutlich wurde schon in jenen Tagen ihr Schicksal als SPD-Parteichefin besiegelt.
Gestern nun fährt Nahles-Nachfolgerin Saskia Esken im Landtag vor. Es ist Klausur-Zeit. Die Landtagsfraktionen sind kreuz und quer in den Freistaat ausgeschwärmt, um in Tagungszentren und Klöstern über ihre Politik zu beraten. Die inzwischen ziemlich klamme SPD spart sich das Geld und tagt lieber im ansonsten verwaisten Maximilianeum – dafür aber mit prominentem Gast. Die Stimmung ist ganz anders als einst bei Nahles. Von Kohnen gibt es eine demonstrative Umarmung. Esken ist begeistert von den bayerischen Positionen in Themen wie Digitalisierung. „Inhaltlich sind wir in vielen Dingen auf einer Linie.“
Es ist der erste Auftritt von Esken als Parteivorsitzende im Freistaat. Sie spricht gerne über Digitalisierung, schließlich war das bis vor Kurzem ihr Fachgebiet. Jetzt aber will man die großen Linien von ihr wissen. Was wird aus der SPD, was aus der GroKo? Schließlich sind sie und ihr Partner Norbert Walter-Borjans von jenen Genossen gewählt worden, die das Bündnis rasch beenden möchten.
Bei ihnen dürfte es Enttäuschungen geben – denn von einem Aus für die Große Koalition ist bei Esken inzwischen keine Rede mehr. „Ich sehe Veränderungen und Gesprächsbereitschaft“, sagt sie über den Koalitionspartner. „Die klare Ansage, es gibt keine Nachverhandlungen, ist ja schon vor unserer Wahl gefallen.“ Der erste Koalitionsausschuss sei „sehr angenehm“ verlaufen. Der nächste folge nun Ende Januar. „Wir werden dann konkret in die Themen gehen und auch zu Ergebnissen kommen“, ist Esken überzeugt. Sie nennt Investitionen (Steuersenkungen wegen des Rekordüberschusses im Bundeshaushalt lehnt sie ab), Klimaschutz sowie eine „Stärkung der niedrigen Löhne“. Esken: „Wir sind dafür gewählt worden, dass sich Dinge verändern – auch was den Stil anbelangt.“ Mit der Arbeit ihrer Minister ist die Parteichefin völlig zufrieden. Ob man ein paar neue Gesichter brauche? „Ich sehe überhaupt gar keine Notwendigkeit, darüber zu sprechen“
Ein neuer Stil also. Nun, die Stilfragen werden in der Union genau beobachtet. Einige sind bereits reichlich genervt davon, dass die neue SPD-Spitze fast täglich Ideen präsentiert, die in der Koalition nicht mehrheitsfähig sind – wie zum Beispiel der Plan, Eigentümer von Bauland bei starken Wertsteigerungen zur Kasse zu bitten. Die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen reagiert dagegen ganz begeistert. „Das ist kein einfaches Thema, aber dringend nötig“, sagt die Landeschefin, die in der Fraktion als Fachpolitikerin für Wohnen und Bauen tätig ist. „Das Thema brennt überall.“
Bei so viel Harmonie mit dem Landesverband ist klar, dass Esken bald wieder nach Bayern kommt – als Rednerin beim politischen Aschermittwoch. Ob sie denn Bierzelt könne, will ein Journalist von ihr wissen. „Das werden wir sehen“, lautet die Antwort. „Ich habe mir vorgenommen, die notwendigen Botschaften ein Stück weit humorvoll rüberzubringen.“ MIKE SCHIER