München – Rechen-Tricks um Bayerns Beamte: Die Staatsregierung bemüht sich, die Behördenverlagerung aufs Land in möglichst bunten Farben zu schildern. Die SPD hingegen spricht von einer „verheerenden Halbzeitbilanz“ und nennt viel niedrigere Zahlen. Die Wahrheit liegt dabei wohl in der Mitte.
Auslöser des jüngsten Ärgers ist eine schriftliche Anfrage des SPD-Abgeordneten Klaus Adelt. Er misstraut den Erfolgsmeldungen des Finanzministeriums. Wie berichtet, will die Staatsregierung strukturschwächere Regionen stärken, indem Behörden-Posten aus der überhitzten Metropolregion München verlagert werden. Eine erste Welle erarbeitete der damalige Finanzminister Markus Söder (CSU) 2015: Bis zum Jahr 2025 sollten 2225 Stellen aus 64 Behörden aufs Land ziehen. Eine zweite Welle mit weiteren 3000 Jobs (bis 2030) stellte der heutige Ministerpräsident Söder kürzlich vor. Das Konzept ist populär, es ist politisch nicht mal umstritten: In Nord- und Ostbayern sind die Reaktionen darauf sehr positiv, teils euphorisch. In München fällt der Abzug meist gar nicht auf.
Strittig ist aber die Zwischenbilanz, wie gut und schnell die erste Welle wirklich läuft. Hier beginnt die hohe Kunst der politischen Mathematik. Das Finanzministerium berichtet liebend gern, wie viele Behörden mit dem Umzug bereits begonnen haben. 75 Prozent der Projekte seien gestartet, „obwohl die Umsetzung der Behördenverlagerung auf zehn Jahre angelegt ist“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums vor wenigen Tagen. „Große Erfolge“ seien hier zu sehen.
75 Prozent – klingt wuchtig. Ob da eine ganze Großbehörde in Nordbayern loslegte, oder ob nur ein Hausmeister den ersten Umzugskarton gepackt hat, sagt diese Zahl freilich nicht aus. Auf mehrfache Nachfrage erst heißt es aus dem Ministerium, 960 Bedienstete hätten jetzt die Arbeit am neuen Ort aufgenommen. Das wären also 43 Prozent der geplanten Stellen-Verlagerungen.
Die SPD, nicht minder trickreich, argumentiert mit den Zahlen, welche Behörden-Umzüge restlos abgeschlossen sind. Hier ist die Zahl viel niedriger. Auf Adelts Anfrage meldete das Ministerium (Stand: Halbjahr 2019), es seien nur neun Behörden mit 148 Stellen fertig verlagert.
„Die Bilanz kurz vor der Halbzeit fällt mehr als ernüchternd aus“, kritisiert der Abgeordnete auf dieser Basis. Er bezweifelt, dass Söder die Umzugspläne einhalten wird. Dass er kurz vor der Kommunalwahl Mitte März lautstark eine zweite Welle präsentiere, sei „wirklich dreist“, sagt der Franke Adelt: „Statt den Mund so voll zu nehmen, sollte Söder lieber mal liefern.“
Dass sich nicht sofort alle Beamten in Marsch setzen, hat praktische Gründe. Die Staatsregierung hat versprochen, auf Zwangsversetzungen zu verzichten – Freiwillige vor. Zudem brauchen die großen Umzugspläne Zeit. Wo neu gebaut werden soll für die Beamten, lässt sich das nicht hoppla-hopp erledigen. So muss man die Justizvollzugsanstalt in Marktredwitz (186 Stellen) oder das Landesamt für Maß und Gewicht in Bad Reichenhall (50) erst errichten, Zeithorizont 2025.
Stoppen oder beschleunigen kann die Opposition Söders Umzugs-Pläne nicht. In einem Detail-Punkt könnte es aber knapp werden: Für die geplante Aufspaltung der Regierung von Oberbayern und einen neuen „Regierungsbezirk München“ müsste Söder wohl die Verfassung ändern. Das geht nur mit Zweidrittelmehrheit. Das kann die Opposition mit ihren Stimmen verhindern – wie sie es schon bei seinen Verfassungs-Plänen zu Amtszeitlimit und Klimaschutz tat. Darüber ist aber noch nicht entschieden.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER