München – Noch vier Tage – dann verlassen die Briten die EU. Aus Sicht von Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, beginnt am 1. Februar die eigentliche Arbeit. Denn dann wird im Detail über die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU verhandelt.
Weber beschreibt vor Journalisten in München die Gespräche mit Premierminister Boris Johnson als Spagat: „Einerseits kann ein Nicht-Mitglied nie die gleichen Vorteile haben wie ein Mitglied. Andererseits wollen wir Schaden für die Wirtschaft abwenden.“ Der Schutz des EU-Binnenmarktes mit seinen vier Freiheiten – Personen, Waren, Dienstleistungen, Kapital – hat dabei absolute Priorität für die Konservativen. Seine Parteifreundin Angelika Niebler bringt die Gefahr des „Rosinenpickens“ durch die Briten so auf den Punkt: Es dürfe nicht sein, dass sich Großbritannien etwa in ein kleines Singapur verwandele, mit Dumping-Regelungen bei Umwelt, Finanzen und Standards, die EU aber ihren Binnenmarkt öffne. Ein vernünftiger Mittelweg scheint derzeit aber noch nicht in Sicht.
Ob die Verhandlungen bis Ende des Jahres abgeschlossen werden – da zeigen sich die Europapolitiker skeptisch. Alles werde in der kurzen Zeit nicht zu regeln sein, es gelte, Prioritäten zu setzen. Vor allem müsse auch die Zusammenarbeit mit den Briten auf dem Gebiet der Sicherheit weitergehen. Eine Verlängerung der Verhandlungen sei nicht ausgeschlossen – schließlich habe Johnson das Austrittsdatum verschoben, obwohl er dies vorher ausgeschlossen hatte. Die CSU-Politiker sehen auch Chancen: Ein guter Vertrag mit den Briten könnte Modellcharakter für andere Drittstaaten haben, die engere Beziehungen mit Europa wollen. Etwa Israel.
Übrigens: Einen positiven Nebeneffekt des Brexits gibt es für die EVP bereits. Durch den Wegfall der britischen Abgeordneten (darunter viele Labour-Sitze) wächst der Vorsprung vor der sozialdemokratischen Fraktion auf 40 Mandate. ALEXANDER WEBER