AKK im Thüringer Sturm

von Redaktion

Die Große Koalition in Berlin hat sich zusammengerauft – wieder einmal. Bald könnte in Thüringen neu gewählt werden, über das Wie wird noch gestritten. Und in der CDU rumort es mächtig.

VON THERESA MÜNCH, SIMONE ROTHE UND JÖRG BLANK

Berlin – Die GroKo spricht ein Machtwort, die FDP macht den Weg frei: In Thüringen soll es schnell einen neuen Ministerpräsidenten und eine Neuwahl geben. Erst Ramelow ins Amt hieven, dann neu wählen, darauf könnte der Plan aus den Berliner Parteizentralen von CDU und SPD hinauslaufen – der intern aber prominente Gegner hat. Ob es so einfach ist, wie man es sich in der Hauptstadt vorstellt, darf ohnehin bezweifelt werden. In der CDU drängt zugleich immer mehr eine andere Frage in den Vordergrund: Kann Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer miserablen Krisen-Performance die richtige Kanzlerkandidatin sein?

Doch zunächst gab es ein anderes personelles Opfer: Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, trat nach einem heftig kritisierten Lob für die Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ihm im Gespräch erklärt, dass er nicht länger Beauftragter für die Neuen Länder sein könne, teilte der Christdemokrat in einer Twitter-Nachricht mit. „Ihrer Anregung folgend, habe ich daher um meine Entlassung gebeten.“ Vor allem die SPD hatte im Fall Hirte Druck gemacht.

Und das war nicht die einzige Forderung: Die CDU müsse nun beweisen, wo sie stehe, hieß es bei den Sozialdemokraten. Damit erwartet die SPD von der Union nicht weniger als den Tabubruch: Denn dem von Ramelow angepeilten Bündnis von Linken, SPD und Grünen fehlen vier Sitze für eine Mehrheit im Landtag. Können sich CDU oder FDP überwinden und diese Stimmen stellen? Immerhin hatte Ramelow schon beim ersten Versuch 44 bekommen – mindestens zwei von CDU, FDP oder AfD. Die CDU müsse die Namen der Abweichler nicht nennen, schlägt Linken-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow vor. Doch: „46 Stimmen müssen drin sein.“ Generalsekretär Paul Ziemiak erteilte solchen Gedankenspielen umgehend eine Absage. „Es wird keine Stimmen der CDU für Herrn Ramelow oder jemand anderen von den Linken geben“, sagte er im ZDF.

Warum bestehen CDU, CSU und SPD in Berlin überhaupt darauf, vor einer Neuwahl noch einen Übergangs-Ministerpräsidenten zu wählen? Das ist vor allem eine Forderung der SPD, die unbedingt vermeiden will, dass der makelbehaftete Kemmerich nur einen Tag länger im Amt bleibt als nötig.

Vor allem innerhalb der CDU ist die Lage vertrackt, der Druck auf Kramp-Karrenbauer dürfte nach dem Kemmerich-Rücktritt und Merkels Eingriff (siehe Artikel unten) nur geringfügig nachgelassen haben. In der für AKK zentralen Frage nach der nächsten Unions-Kanzlerkandidatur haben sich die internen Zweifel in den vergangenen Tagen deutlich verstärkt.

Mögliche Konkurrenten wie Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn beobachten die Parteichefin genau. Sie hat nur noch wenig Zeit, das Bild gerade zu rücken – bis auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember über die Kandidatur entschieden werden soll. CSU-Chef Markus Söder dagegen kann entspannt sein: Er wollte von Anfang an, dass die Koalition klare Kante im Kampf gegen die AfD zeigt.

Eines machte die Koalition am Samstag daher auch klar: Bei CDU, CSU und SPD gilt „für alle Ebenen“, dass Regierungsbildungen und politische Mehrheiten mit den Stimmen der AfD ausgeschlossen sind. Das ist eine Warnung auch an den Thüringer CDU-Landesverband. „Wer mit Faschisten paktiert in diesem Land, darf keine Verantwortung übernehmen“, hatte Parteichefin Saskia Esken gesagt.

Die frisch gewählten, aber bisher blassen Chefs der Sozialdemokraten können in der Koalition langsam erste Duftmarken hinterlassen. Wer hätte im Dezember bei ihrer Wahl gedacht, dass ausgerechnet die zerstrittene SPD Kramp-Karrenbauer einmal vorwerfen kann, ihren Laden nicht im Griff zu haben?

Esken und ihr Co-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans bemühten sich in der Thüringen-Krise wohl auch deshalb, nicht wieder mit einem Bruch der GroKo zu drohen. Den Sturm Thüringen-Krise scheint die neue SPD-Spitze zumindest erst einmal überstanden zu haben. Ganz anders als das Land – und der Koalitionspartner CDU.

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