München – Am Samstagmittag sieht sich Wolfgang Ischinger zu einer ungewöhnlichen Mahnung veranlasst. „China verdient ein bisschen mehr Mitgefühl, Unterstützung und Aufmunterung – und nicht nur Kritik“, sagt der Gastgeber der Sicherheitskonferenz, bevor der chinesische Außenminister Wang Yi das Podium im „Bayerischen Hof“ betritt. Das Land kämpfe schließlich gerade mit dem Coronavirus. Doch als Wang mit seiner Rede beginnt, bleiben viele Reihen im sonst chronisch überfüllten Konferenzsaal leer.
Das Bild ist bezeichnend. Vor allem die US-Delegation schlägt in diesem Jahr harsche Töne gegenüber China an – und ausnahmsweise ziehen Republikaner und Demokraten an einem Strang. Am deutlichsten wird der amerikanische Verteidigungsminister Mark Esper. „Unter der Herrschaft von Präsident Xi steuert die Kommunistische Partei immer schneller und weiter in die falsche Richtung.“ Inzwischen agiere man nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene, sondern auch militärisch. China manipuliere die Jahrzehnte alten Regeln der internationalen Weltordnung. „Wenn wir die Bedrohung nicht verstehen und nichts dagegen tun, könnte sie letztlich das erfolgreichste Militärbündnis der Geschichte – die Nato – gefährden.“
Den Amerikanern geht es natürlich auch um den Aufbau des G5-Netzes durch Huawei. Der chinesische Konzern sei ein Einfallstor für „Störungen, Manipulation und Spionage“, warnt Esper. Sein Kollege aus dem Außenministerium, Mike Pompeo, bezeichnet Huawei in sogar als „trojanisches Pferd für die chinesischen Geheimdienste“.
Chinas Außenminister beeindruckt das nicht. Einen Großteil seiner Rede widmet er dem Kampf gegen das Coronavirus. Es wirkt, als sei er zuvor noch mal gründlich von der Parteizentrale in Peking instruiert worden. Er erzählt von den Erfolgen unter der „starken Führung von Präsident Xi Jinping“, von der Widerstandskraft der chinesischen Wirtschaft – aber auch von großen wie kleinen internationalen Gesten. Selbst der FC Bayern habe seine allerbesten Grüße nach China gesandt.
Der politische Teil seiner Rede klingt dann weniger nett. Pompeo und Esper wirft der Chinese eine „Schmierenkampagne“ vor. „Grundsätzlich kann ich sagen, dass alle Beschuldigungen gegen China Lügen sind.“ Die Lügen würden erst dann wahr, wenn man die Kritik nicht auf China, sondern auf die USA anwende. Es klingt hart unde s ist auch so gemeint. Chinas Modernisierung, sagt Wang dann, sei unumkehrbar. „Wir lassen uns von keiner Macht der Welt aufhalten.“
Die Kraftmeierei verfehlt ihre Wirkung nicht. Dass China es als Schreckgespenst des Westens inzwischen mit Russland aufnehmen kann, zeigt der Verlauf der ganzen Konferenz. Nur wenige Redner kommen ohne Verweis auf Peking aus – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: sie alle benennen das Problem.
Aber können auch alle gemeinsam reagieren? Das ist eine der Fragen, die das Wochenende bestimmen und ohne echtes Ergebnis bleiben. US-Außenminister Pompeo ruft die westlichen Verbündeten zur Entschlossenheit auf. Es ist einer von diesen Appellen, von denen man das Gefühl hat, sie bleiben am Ende ungehört.
Es sind schließlich zwei US-Demokraten, die den Europäern am Sonntag noch mal unmissverständlich den US-Standpunkt klarmachen. Bei Huaweis 5G-Netz gehe es nicht nur um eine Technik. „Es geht um nationale Sicherheit, um Wirtschaft und um unsere Werte“, sagt die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Ihr Kollege Adam Schiff warnt, China versuche, „auf digitalem Weg sein autokratisches System“ zu exportieren. „Hier steht Autokratie gegen Demokratie.“ Es ist ein frostiger Sound.