München – Wie mühsam das ist. Immer wieder schickt er Ideen für eine EU-Reform los, immer wieder versacken sie – vielleicht mangels schnellen G5-Netzes – im Berliner Funkloch. Ob er frustriert darüber sei, fragt Siko-Chef Wolfgang Ischinger Frankreichs Präsidenten zu Beginn. Nein, nein, antwortet der. „Ich bin kein Mann der Frustration. Aber ich bin ungeduldig.“
Emmanuel Macron ist einer der Stargäste der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz. Anders als sonst bei solchen Anlässen hält er aber keine ausladende Rede, sondern setzt sich zur Fragerunde aufs Podium. Es gebe in Europa eine „Krise der Demokratie und des Mittelstandes“, sagt er, stürmisch nach vorne gebeugt. Das erfordere dringend eine Antwort. Die Ungeduld ist ihm anzumerken.
Mag sein, dass das Berliner Schweigen an Macrons Ego kratzt. Vor allem aber sieht er darin ein Problem eines bereits geschwächten Europas. Noch vor 15 Jahren habe man geglaubt, der Westen werde ewig die Welt beherrschen, seine Werte seien universell und erstrebenswert. Russland und China belegen aber das Gegenteil. Und während gerade China in Zukunfts-Technologien investiere, führe die EU behäbige Kleinstdebatten. In den nächsten zehn Jahren müsse Europa die „Grundlagen für seine Souveränität“ schaffen. „Wir stehen vor einer Stunde der Wahrheit.“
Es sind mahnende Worte –an denen fehlt es insgesamt nicht in München. Aber stecken hinter ihnen auch konkrete Absichten? In Berlin rätselt man etwa, was genau Macron mit dem „strategischen Dialog“ über nukleare Abschreckung meint, aber auch diesmal wird er nicht konkreter. Er wisse ja, das das kein einfaches Thema in Deutschland sei, sagt er nur. „Aber wir müssen diskutieren.“
Die richtige Gesprächspartnerin dafür wäre wohl Kanzlerin Angela Merkel. Weil die der Siko aber fernbleibt, ist es die Verteidigungsministerin, die den Faden skeptisch aufnimmt. Bisher sei von der Nuklear-Initiative nur bekannt, dass Frankreichs Regierung „ihr Atomwaffenarsenal nicht unter eine europäische Kommandostruktur stellen“ will, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer. Gespräche? Bitte gern. Aber sie vertraue weiter auf den Schutzschirm der USA im Rahmen der Nato.
AKK hätte den zweiten Konferenztag eröffnen können, aber sie wollte nicht. Stattdessen spricht sie nach Macron –und singt das bekannte Lied von mehr deutscher Verantwortung in der Welt. „Ich sehe Europa und mein Land in der Pflicht, mehr Willen zum Handeln zu entwickeln“, sagt AKK. Die Gegner des Westens seien handlungsfähig und gewillt, Gewalt einzusetzen. Macrons großes Dialogangebot beantwortet die CDU-Politikerin mit Einzelmaßnahmen.
Wie schon in der Vergangenheit spricht sie sich für eine „robustere Mission“ in der Sahelzone aus, die sie im Kampf gegen Terrorismus für eine „Schlüsselregion“ hält. Macron fordert das schon lange, den 4000 französischen Soldaten in der Region stehen derzeit 1000 deutsche gegenüber. Mehr als eine „genaue Prüfung“ verspricht AKK aber nicht. Für die Straße von Hormus schließt sie eine Beteiligung am US-Einsatz aus – und fordert stattdessen eine europäische „Koalition der Willigen“, die auf eigene Faust den dortigen Seeweg schützt.
Ein neues Format also. Das ist nicht viel, aber mehr, als mancher im Bayerischen Hof erwartet hatte. Auf den Hotelgängen fragt man sich, ob Deutschland angesichts der CDU-Krise wieder monatelang ausfällt. AKK versucht, den Eindruck zu korrigieren. Die CDU wisse, dass „die Stabilität Deutschlands einen wichtigen Einfluss auf die Stabilität Europas hat“.
Die viel beschworene Achse Paris-Berlin, sie funktioniert auch am Siko-Samstag eher mittelprächtig. Aber man will ja – aber können sie auch? Macron und AKK geben sich schließlich höflich die Hand. Es ist halt mühsam. MARCUS MÄCKLER