Ramelow will vorerst verzichten

von Redaktion

Die nächste irre Wendung nach der Thüringen-Wahl: Bodo Ramelow schlägt seine CDU-Vorgängerin als Übergangs-Ministerpräsidentin vor. Christine Lieberknecht (61) soll das Land bis zu Neuwahlen führen, wenigstens einige Monate lang.

VON STEFAN HANTZSCHMANN UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Erfurt – Die frühere Thüringer Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) ist als neue Ministerpräsidentin im Gespräch – allerdings soll sie die Landesregierung nur bis zu einer baldigen Neuwahl führen. Den Vorschlag unterbreitete Ex-Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) am Montagabend bei einem Treffen von Linken, SPD und Grünen mit der CDU, wie ein Parteisprecher bestätigte. Die Gespräche zwischen den Parteien waren am späten Abend noch nicht beendet.

Die Fraktionen suchen seit fast zwei Wochen nach einem Ausweg aus der politischen Krise. Auslöser war die Ministerpräsidentenwahl am 5. Februar: Der FDP-Politikers Thomas Kemmerich wurde mit Stimmen von CDU, FDP und maßgeblich der AfD ins Amt gehoben; er nahm die Wahl an. Drei Tage später trat der 54-Jährige zurück. Er amtiert seitdem geschäftsführend ohne Minister, bis ein Nachfolger gewählt ist.

Welcher Nachfolger, das war bisher umkämpft. Ramelow hat keine Mehrheit. Die Christdemokraten lehnen es ab, den Linke-Politiker aktiv in das Amt des Regierungschefs mitzuwählen. Solche Manöver mit Linken und AfD verbietet ein CDU-Bundesparteitagsbeschluss. Seinerseits wollte sich Ramelow freilich auch nicht davon abhängig machen, von der AfD gewählt zu werden oder sich im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit ins Amt zu zittern.

Erste Bewegung dürfte die Rücktrittsankündigung von CDU-Landeschef Mike Mohring am Wochenende gebracht haben. Er zieht sich von Partei- wie Fraktionsspitze zurück. Nun folgte am Abend Ramelows Angebot: „Es ist die Stunde von mehr Demokratie und weniger Parteibuch.“ Lieberknecht soll nach seiner Idee ein Mini-Kabinett mit Ministern für Justiz, Finanzen und einem Chef der Staatskanzlei führen. Diese Regierung solle binnen 70 Tagen eine Neuwahl vorbereiten, bei der Ramelow wieder als Linke-Spitzenkandidat antreten will. Ob vorher ein neuer Haushalt beschlossen wird, ist unklar.

Die 61-jährige Lieberknecht war von 2009 bis 2014 Regierungschefin und führte eine Koalition von CDU und SPD. Nach der Landtagswahl 2014 entschied sich die SPD für ein Bündnis mit den Linken und den Grünen. So kam es zum Machtwechsel, obwohl die CDU damals stärkste Fraktion im Landtag blieb. Lieberknecht, bodenständige Pfarrerstochter, blieb bis 2019 einfache Abgeordnete.

Für eine Auflösung des Landtags sind 60 der 90 Stimmen nötig. Rot-Rot-Grün und die CDU würden das erreichen. Falls es zu einer Neuwahl kommt, dürften sich die Machtverhältnisse verschieben. Die Linke hat in Umfragen deutlich zugelegt, CDU und FDP sind abgesackt.

Der Gedanke, statt Ramelow, Kemmerich oder Mohring einen neutralen Übergangs-Regierungschef zu wählen, kursiert seit einigen Tagen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte im Gespräch mit unserer Zeitung vergangenes Wochenende „eine Regierung unter einem neutralen Experten“ ins Gespräch gebracht. Aus der FDP wurde ein Verfassungsjurist genannt; der Vorschlag scheiterte. Auch CSU-Chef Markus Söder warb am Sonntag und Montag für einen Interims-Kandidaten jenseits von Ramelow. Der Name Lieberknecht fiel dabei bis Montagabend nie – eine Überraschung. Dennoch ist noch offen, wie sich die CDU positioniert. Der Ältestenrat des Landtages kommt heute Nachmittag zusammen und berät die nächsten Schritte.

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