Rot-grüner Triumph in Hamburg

von Redaktion

Haushoher Sieg trotz Verlusten: Die im Bund kriselnde SPD festigt bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg ihre Macht. Die Grünen erstarken, bleiben aber in der Juniorrolle. Für alle anderen Parteien sieht es schlecht aus.

VON CHRISTIAN ANDRESEN UND MICHAEL ZEHENDER

Hamburg – Die letzte rot-grüne Koalition in Bund und Ländern kann weitermachen: SPD und Grüne haben in Hamburg einen klaren Wahlsieg eingefahren. Bei der Bürgerschaftswahl landete die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher am Sonntag weit vor dem grünen Partner. Trotz Verlusten setzte sie sich damit vom jahrelangen Negativtrend der Partei im Bund ab. Die CDU rutschte auf ihr schlechtestes Ergebnis bei Landtagswahlen seit knapp 70 Jahren. Die Wahlbeteiligung lag bei 62 Prozent.

Überraschend sah es zunächst danach aus, dass die AfD erstmals aus einem Landesparlament abgewählt würde, sie stabilisierte sich jedoch am späten Abend. Die FDP musste noch zittern. Die Abstimmung in der Hansestadt ist nach derzeitigem Stand die einzige Landtagswahl in diesem Jahr und wird heute zu Ende ausgezählt.

Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF rutschte die SPD zwar ab, erreichte mit rund 39 Prozent aber wieder klar Platz eins (2015: 45,6) – Werte, die sie in keinem anderen Land hat. Die Grünen mit Spitzenkandidatin Katharina Fegebank verdoppelten sich zwar fast auf 25 Prozent, lagen jedoch weiter hinter der SPD als zu Beginn des Wahlkampfs. Die in Hamburg oppositionelle CDU sackte noch einmal ab auf nun gut 11 Prozent (15,9). Die Linke stagnierte bei gut 9 Prozent. Die FDP und überraschend auch die AfD verloren. Beide werden wohl erst am Montag sicher erfahren, ob sie im Parlament bleiben. Die FDP hatte 2015 noch 7,4.

Die wahrscheinlichste Regierungsvariante ist die Fortsetzung der seit 2015 bestehenden rot-grünen Koalition – sowohl Tschentscher als auch seine bisherige Stellvertreterin Fegebank wollen das. Die Grünen hatten allerdings lange auf Platz 1 und den Chefposten für Fegebank gehofft. Rechnerisch wäre auch eine Koalition SPD/CDU möglich. CDU-Spitzenkandidat Markus Weinberg sagte, man stehe „zu Gesprächen bereit“. Tschentscher kündigte aber glasklar an, zuerst mit den Grünen zu sondieren. Fegebank sagte, sie sei „gerührt“.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erhofft sich vom überraschend guten Ergebnis der SPD einen Push auch im Bund. Er sei „super glücklich“ über das Hamburger Ergebnis, sagte der Vorgänger von Tschentscher. Grünen-Chef Robert Habeck nannte die starken Zugewinne „fulminant“, das sei ein Auftrag auch im Bund. Zu verdanken sei das auch dem „Mut, Ja zu sagen, aus der Herausforderer-Position um Platz eins zu kämpfen“. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach von einem bitteren Tag. „Die Ereignisse in und um Thüringen haben nicht geholfen, dass die CDU in Hamburg auf ihre Konzepte, auf ihre Pläne für Hamburg hinweisen konnte“, sagte er mit Blick auf die dortige Regierungskrise. AfD-Spitzenkandidat Dirk Nocke-mann sprach nach den ersten Hochrechnungen verärgert vom „Ergebnis einer maximalen Ausgrenzungskampagne“. Nach Thüringen sei seine Partei von sieben Prozent abgesunken.

Für Tschentscher war es die erste Wahl. Er hatte den Posten 2018 von Scholz übernommen, der damals Bundesfinanzminister wurde. Für 40 Prozent der Wähler war Tschentscher laut ARD der wahlentscheidende Faktor – ein extrem hoher Wert. Er hatte im Wahlkampf massiv das Thema Klimaschutz besetzt, das traditionell eher mit den Grünen verbunden wird: „Grüner wird’s nicht“ war einer seiner Slogans. Daneben dominierten lange die Themen Mieten und Verkehr.

Die SPD versuchte zudem in der Wirtschaftsmetropole, sich vom negativen Bundestrend abzukoppeln. Die beiden neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans waren nicht zu Auftritten eingeladen. Gleichwohl verschafft das Hamburger Ergebnis dem Duo, das alle Aufmerksamkeit auf die Lage der CDU zu lenken versucht, etwas Erleichterung.

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