Käpt’n Habeck gibt den Staatsmann

von Redaktion

Poltern ist halt nicht sein Ding. In Landshut erfindet Grünen-Chef Robert Habeck die Aschermittwochsrede neu und gibt sich inhaltlich staatstragend. Das Fernduell mit Söder schlägt er aus – fast jedenfalls.

VON MARCUS MÄCKLER

Landshut – Schon am Eingang ist Schluss mit lustig. Gerade will Robert Habeck die Treppe zum knallvollen Festsaal hochstapfen, da fangen ihn ein paar Landwirte ab. Dieses Bauernbashing, sagt der eine, das sei unterirdisch. Und der Runde Tisch zum Artenschutz erst. Immer nur Auflagen, Auflagen. Habeck steht verdutzt da, am runden Tisch saß er ja gar nicht. Nun gut, er habe ja Verständnis, sagt er. Es gebe große „strukturelle Probleme“ in der Landwirtschaft. „Aber das liegt nicht an meiner Partei.“

Es ist ein derber Empfang, den die Niederbayern dem Grünen-Chef von der Küste bereiten. Immerhin: Als ihn die aufgebrachten Bauern irgendwann ziehen lassen, hat er das Schlimmste überstanden. Im ersten Stock erwartet ihn ein Saal voller Fans. Habeck ist der Hauptredner beim Politischen Aschermittwoch der Grünen in Landshut. 2018 war er schon mal da, die Partei begann damals, bundesweit Kraft zu tanken. Heute ist er die (noch) ungekrönte Kanzler-Hoffnung der Grünen – entsprechend staatstragend tritt er auf.

Er wolle in dieser sensiblen Zeit niemanden beschimpfen, sagt er zu Beginn. Auch politische Gegner nicht. Das ist zwar nicht ganz im Sinne des Aschermittwochs, wo die Fetzen weit und sichtbar fliegen sollen. Aber bei den 600 Gästen kommt es an. Er wolle einen „heilsamen Aschermittwochsdiskurs“. Zu flauschig soll es aber auch nicht werden. Also kommt er auf die Volksparteien zu sprechen.

Die seien ein „Komplettausfall“ in einer Zeit, die dringend politische Führung brauche. An die „Sehnsucht der SPD nach Bedeutungslosigkeit“ habe man sich ja fast schon gewöhnt, sagt Habeck. Jetzt auch noch die CDU. „Das Schiff hat sich losgerissen. Kein Anker mehr, kein Ruder mehr, kein Hafen in Sicht.“ Habeck findet das gefährlich, aber der Subtext ist auch klar: Deutschland sucht einen Kapitän? Er wüsste da einen.

Die große Erzählung, die der manchmal etwas verkopfte Parteichef ausbreitet, ist die von den Grünen als neuer Verantwortungspartei. „Wir müssen diese Gesellschaft jetzt zusammenhalten“, sagt er energisch und ballt die rechte Faust. Das tut er oft, manchmal nimmt er auch beide Fäuste und wenn es ganz wichtig wird, fährt er mahnend den Zeigefinger aus. Mit dem Headset am Ohr wirkt er dann wie ein grüner Motivationscoach. Im Saal winken sie dazu mit grünen Mini-Windrädern. Aufschrift: „Zeit, dass sich was dreht.“

Eine halbe Stunde spricht Habeck, kraftvoll und nicht unbissig. Er fordert ein „Schutzschild des Anstandes“ gegen Rechtsextremismus und generell mehr Zuversicht. Fast zeitgleich arbeitet sich Markus Söder in Passau minutiös an den Grünen ab – ein Fernduell. Aber Habeck zieht erst mal nicht mit, als wär’s ihm zu blöd. Von Söder lange kein Wort. Und dann doch. Der CSU-Chef, sagt der Grüne, mag sich in München wie ein Löwe aufführen, in Berlin sei er ein zahmes Kätzchen. Die CSU: brülle laut, sei aber bloß eine „Regionalpartei“, die „auf Bundesebene nichts mehr zu sagen hat“. Auch nicht bei der Kanzlerfrage.

Ende des Polterns, zumindest für Habeck. Die anderen Redner sind da weniger zurückhaltend. Bayerns Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann nennt Verkehrsminister Andreas Scheuer den „lebenden Beweis für eine Politik ohne Sinn und Verstand“ und wünscht Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eine Portion „künstliche Intelligenz“. Bayerns junge Parteichefin Eva Lettenbauer frotzelt über Söders Faible für Baum-Kuschelei. Ihre Vorgängerin Sigi Hagl spricht über Landshut. Immerhin ist sie OB-Kandidatin.

Einen Erfolg bei der bayerischen Kommunalwahl nähme auch Habeck gerne mit. Seinen Parteifreunden ruft er ermutigend zu: „Reden wir über die Probleme der Gesellschaft. Überlassen wir es den anderen, über sich selbst zu reden.“ Riesenapplaus, wie so oft an diesem Vormittag.

Als Habeck fertig ist, stürmen viele junge Zuhörer auf die Bühne: Selfies machen. Eine etwas betagtere Dame stürzt derweil einigermaßen schmachtend aus dem Saal. „Mei, das ist der neue Kanzler“, sagt sie. Und ist nicht die einzige hier, die so denkt.

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