Vilshofen – „Schönen Gruß nach Passau zum Kollegen Söder, der dort über uns gesagt hat: Die SPD, ihr seid Tick, Trick und Track. Vielen Dank für dieses Kompliment, lieber Markus Söder. Ihr seid die Panzerknacker, und ihr habt den gleichen Erfolg wie die“, ruft Saskia Esken, die neue Co-Vorsitzende der SPD, in den voll besetzten Saal des traditionsreichen Wolferstetter Kellers im niederbayerischen Vilshofen. Nein, dieser Politische Aschermittwoch 2020 ist kein Gipfel des originellen Bonmots oder lustigen verbalen Fingerhakelns mit dem politischen Gegner. Eskens Comic-Vergleich klingt eher nach dem Versuch einer humoristischen Pflichtübung. „Kraftmeierei ist nicht meins“, meint sie.
„Lachen“, so formuliert es ihre Parteikollegin und Landeschefin Natascha Kohnen, falle nach den Morden von Hanau und den Vorgängen bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen auch schwer. Insbesondere den Berliner Koalitionspartner CDU geht Kohnen wegen der Stimmen für den FDP-Politiker Kemmerich zusammen mit der AfD hart an: „Besinnt euch, verdammt noch mal, die Zeit für Machtspielchen mit Faschisten ist vorbei!“, schreit sie in den Saal.
„Der Feind steht rechts“, nimmt auch Esken Kohnens roten Faden auf, „und die SPD hält dagegen“. Auch sie nimmt die CDU aufs Korn: Die Christdemokraten mäanderten ständig zwischen Anlehnung und Ablehnung der AfD, schimpft sie. Dabei gelte: Nur weil AfD-Politiker demokratisch gewählt würden, seien sie noch lange keine Demokraten: „Nazis bleiben Nazis!“ ruft die Vorsitzende in den Beifall der Genossen.
Neben dem Kampf gegen rechts rückt Esken den Sozialstaat in den Mittelpunkt ihrer Rede. Ihr ganzes Herzblut schüttet sie vor den treuesten der Treuen aus: Ob höherer Mindestlohn, Flächentarifverträge überall, Kampf gegen zu hohe Mietpreise, Kindergrundsicherung oder die menschlich gestaltete Zukunft der Arbeit – das Wunschkonzert sozialdemokratischer Beglückung ist lang. Angesichts des technologischen Wandels beschreibt Esken ihre Vision der Sozialdemokratie so: „Wir wollen der Betriebsrat der digitalen Gesellschaft sein.“ Ein Schreckensbild zeichnet die Politikerin von den Arbeitsplätzen bei Amazon. Die Mitarbeiter an den Sortierregalen trügen Spezial-Handschuhe mit eingebautem Display, erzählt sie. Dies helfe ihnen nicht nur beim Finden der gesuchten Ware, es erschalle auch ein Vibrationston, wenn der Arbeiter seine Hände zu langsam bewege. Für Esken ein Albtraum.
Zwei Defizite hat die Berliner Ober-Genossin selbstkritisch ausgemacht: Zum einen dürften die Sozialdemokraten die Schuld nicht immer nur bei ihrem Spitzenpersonal abladen, wirbt sie vielsagend um mehr Unterstützung für sich, als sie ihren Vorgängern zuteil wurde. Und: Es fehle an einer gesellschaftlichen Zukunftsvision für die jungen Leute in Deutschland. Ein Indiz für die Richtigkeit der These liefert der Blick in den Wolferstetter Saal: Das Durchschnittsalter des Publikums liegt geschätzt bei 60 plus. ALEXANDER WEBER