München – Deutschland steht am Beginn einer Epidemie. Das hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schon am Mittwochabend erklärt. Am Donnerstag trat er mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin vor die Presse und erklärte, es gelinge auch unter größtem Aufwand nur noch bedingt, alle Kontaktpersonen von mit dem Coronavirus infizierten Menschen ausfindig zu machen. „Es wird eine Entwicklung nach oben geben“, sagte auch Seehofer.
Es gehe jetzt darum, die Infektionsketten in Deutschland und nach Deutschland zu unterbinden, so Seehofer. Absolute Sicherheit könne man nicht versprechen. Die Häuser der beiden Minister haben einen gemeinsamen Krisenstab eingerichtet. Das Gremium befasste sich in seiner ersten Sitzung am Mittwoch unter anderem mit der Erfassung der Kontaktdaten von Menschen, die nach Deutschland einreisen.
Im Luft- und Schiffsverkehr müssen Einreisende aus China, Südkorea, Japan, dem Iran und Italien auf sogenannten Aussteigerkarten Informationen hinterlassen, wo sie sich aufhalten und wie sie zu erreichen sein werden. Im Bahn- und Busverkehr sei es rechtlich nicht möglich, diese Maßnahmen anzuordnen, sagte Seehofer. Man bitte Bahn- und Busunternehmen aber um die Ausgabe solcher Karten.
Heute befasst sich der Krisenstab neben der Verfügbarkeit von Schutzausrüstung damit, wie sich die Ausbreitung des Virus eindämmen lässt. Unter anderem soll es um Großveranstaltungen mit internationalem Publikum gehen, etwa die Tourismusmesse ITB, die am 4. März in Berlin beginnen soll.
Spahn sagte, Ärzte sollten öfter auf das neue Virus testen. Dazu seien die meisten Labore bereits in der Lage. Die Kosten würden die Krankenkassen übernehmen. Sollte geltendes Recht dem entgegenstehen, werde man es binnen Tagen so ändern, dass die Kassen für Tests aufkommen, „wenn Ärzte sie wegen eines Verdachts oder Symptomen veranlassen“.
Bezüglich der Abriegelung der Grenzen oder von ganzen Städten zeigten sich die beiden Minister skeptisch. Seehofer sagte, auch das sei eine Frage für den Krisenstab. Aber gerade Grenzschließungen müssten, wenn man sie überhaupt ins Auge fasse, international koordiniert werden. Sonst würden Menschen, die reisen wollten, andere Wege finden.
Spahn verwies darauf, dass Abriegelungen zwar Wirkung haben könnten, aber auch Folgen hätten, etwa für die Versorgung bereits erkrankter Menschen. Es sei immer eine Abwägung zu treffen. Das Infektionsschutzrecht mache jedenfalls vieles möglich. Auch die häusliche Quarantäne, wie sie für Kontaktpersonen von Erkrankten in Nordrhein-Westfalen gelten, sei eine behördliche Anordnung.
Der Bund übernehme vor allem eine koordinierende und beratende Funktion, so Spahn. „Entscheidungen über konkrete Maßnahmen werden weiter von den Behörden vor Ort getroffen.“ Maßnahmen zum Infektionsschutz sind rechtlich weitgehend Ländersache.
Seehofer sagte, er habe die Länder gebeten, einreisende Asylbewerber bei der vorgeschriebenen Gesundheitsuntersuchung auch auf das Coronavirus zu testen. Dublin-Überstellungen von Asylbewerbern zwischen Deutschland und Italien seien derzeit unterbrochen.
Kritik am bisherigen Umgang mit der Ausbreitung des Virus übte am Donnerstag FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Er warf der Bundesregierung vor, zu zögerlich reagiert zu haben. Spahn habe die gesundheitlichen Gefahren falsch eingeschätzt, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) die Risiken für die Wirtschaft, erklärte Theurer.