München – Der offene Kampf, in dem die Nachfolge Angela Merkels als Parteivorsitzende ausgetragen wurde, war in der CDU eine Art Revolution. Doch im Vergleich zur Nachfolger-Suche für Annegret Kramp-Karrenbauer, bei der nun wohl auch die Kanzlerkandidaten-Frage mitentschieden wird, erscheint er im Nachhinein beinahe unaufgeregt und strukturiert. Bis zum Wochenende war immer noch unklar, wie die Partei das Kandidatenrennen gestalten will. Und erst langsam beginnen die Bewerber, sich auch inhaltlich konkreter zu positionieren.
Als Angela Merkel Ende Oktober 2018 ihren Rückzug von der Parteispitze ankündigte, stand der Fahrplan schnell fest. Binnen Tagen war das Bewerberfeld für die Nachfolge benannt. Zwei Wochen später präsentierten sich Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn in Lübeck schon auf der ersten von acht Regionalkonferenzen der Parteibasis. Und am 7. Dezember, gut zwei Monate nach Merkels Rückzugsankündigung, wurde AKK dann auf dem Bundesparteitag in Hamburg zu ihrer Nachfolgerin gewählt.
Als AKK am 10. Februar 2020 nach der umstrittenen Ministerpäsidentenwahl in Thüringen ihren Rückzug ankündigte, kam erst nach mehr als einer Woche der erste Bewerber aus der Deckung. Erst nachdem Norbert Röttgen seine Bewerbung ankündigte, zogen Friedrich Merz und Armin Laschet nach – und Jens Spahn sich in Laschets Mannschaft zurück. Eine weitere Woche dauerte es, bis der Wahltermin feststand, den Annegret Kramp-Karrenbauer gerne bis in den Dezember hinausgezögert hätte.
Wie die „Bild am Sonntag“ berichtet, wollten sich AKK und die Bewerber am Sonntagabend darüber in einer Telefonschalte absprechen. Heute wolle die CDU den Fahrplan bis zum Sonderparteitag am 25. April festlegen.
Die inhaltliche Auseinandersetzung der Kandidaten nimmt derweil Fahrt auf. Friedrich Merz äußerte sich im Spiegel-Interview. In der Bild am Sonntag und der Rheinischen Post erschienen Interviews mit Armin Laschet. Und Norbert Röttgen meldete sich ebenfalls zu Wort.
Merz schlug am Samstag im „Spiegel“ auf und stellte die derzeit gültigen Regeln für die Lebensarbeitszeit und die Höhe von Rentenniveau und Beitragssätzen infrage. Für ihn sei „Generationengerechtigkeit die neue soziale Frage“, so Merz. Laschet retournierte via „Bild am Sonntag“. Die Menschen bräuchten bei dem Thema „Klarheit und nicht aufgeregte Debatten im Wochenrhythmus“. Man sei gerade erst dabei, die Rente mit 67, die er für richtig halte, umzusetzen.
Röttgen versucht derweil, sein Profil als erfahrener Außenpolitiker zu schärfen und das Bild zu korrigieren, er sei nur ein Außenseiter. Gefolgt vom Klimaschutz gehöre die „Außen-, europa- und sicherheitspolitische Kompetenz jetzt zu dem Wichtigsten, was die Union braucht“, sagte der ehemalige Umweltminister und heutige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag unserer Zeitung. Die Entwicklungen an der türkisch-griechischen Grenze nutzte er, um sich auf diesem Feld mit einer eigenen Position hervorzuheben. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte Röttgen, man solle es als nicht als Provokation verstehen, dass Präsident Erdogan Flüchtlinge in Richtung EU schicke. Es sei ein Hilferuf im Konflikt mit Russland in Syrien. Man müsse über weitere Sanktionen gegen Putin nachdenken und die Türkei bei der Unterbringung der Flüchtlinge besser unterstützen.
Zu seinen Chancen auf den Parteivorsitz sagte Röttgen, er erwarte in keinem Landesverband einheitliche Delegiertenvoten. Zuvor hatte sich der Vorstand der NRW-CDU einstimmig für ihren Vorsitzenden Laschet ausgesprochen. Alle drei Bewerber kommen aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland, das auch den größten CDU-Landesverband stellt. S. REICH