Berlin – Wolfgang Wodarg ist in diesen Tagen ein viel gefragter Mann. Hunderttausende schauen seine Videos auf „Youtube“. Die Botschaft: „Corona ist nichts weiter als eine andere Art Grippe.“ Was offiziell erzählt werde, sei „alles Lüge, alles Quatsch“. Jetzt hat die SPD ein Problem. Denn Wodarg, 73, war Bundestagsabgeordneter und Gesundheitsexperte der Partei.
Wodargs Botschaft ist Wasser auf die Mühlen aller Verschwörungstheoretiker – und folgt dem üblichen Muster von dunklen Mächten, die die Welt betrügen. Freilich ist der Mann kein einfacher Laie. Er war Lungenfacharzt und Amtsarzt in Schleswig-Holstein und hatte mit vielen Grippewellen zu tun. Außerdem war er zur Zeit seines bis 2009 gehaltenen Mandats Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG).
Wodarg weist darauf hin, dass es jedes Jahr Corona-Viren gibt, das sei normal. Doch jetzt habe die Regierung in Peking ein „Riesenbohei“ veranstaltet. Virologen in der ganzen Welt hätten sich angeschlossen, um sich wichtig zu machen: „Die wollen Geld verdienen damit.“ Die Politik folge deren Rat willfährig, weil sie selbst keine Ahnung habe. Typisch für Verschwörungstheoretiker ist auch die Optik aus dem bekannten „Geisterfahrer“-Witz: Man ist selbst nicht der Geisterfahrer, vor dem im Radio gewarnt wird, sondern alle anderen sind es. Auch Wodarg sieht sich als einziger, der die Lage durchschaut. Es sei wie im Märchen über des Kaisers neue Kleider, erklärt er. „Da ist nichts.“
Den Fakt, dass das aktuelle Coronavirus sich besonders leicht verbreitet und gleichzeitig mindestens zehn Mal so häufig zu schweren Verläufen führt wie eine Grippe, verschweigt der Mann. Und warum die ganze Welt mit all ihren reichen Konzernen und mächtigen Regierungen es hinnehmen sollte, von ein paar Virologen zum Stillstand verdonnert zu werden, wird auch nicht ganz klar. Einer von Wodargs Nachfolgern im Bundestag, der Epidemiologe und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, nennt die Thesen „abwegig und wissenschaftlich nicht haltbar, eine echte Räuberpistole“. Mehr will Lauterbach nicht sagen. „Das wertet die Sache nur auf.“ WERNER KOLHOFF