München – Die ersehnte Rettung kam über Nacht. Zu später Stunde landete vergangene Woche in Rom eine Frachtmaschine aus China. An Bord waren Menschen und Materialien, die das von der Corona-Krise ausgelaugte Italien ungeduldig erwartete. Beatmungsgeräte, Schutzmasken, dazu Experten, die lange vor den Europäern Erfahrungen mit dem Virus gesammelt hatten. Gegen Mitternacht bedankte sich Außenminister Luigi di Maio via Facebook euphorisch: „Wir sind nicht allein. Es gibt Menschen in der Welt, die Italien helfen wollen.“
Sein Land ist in Europa nicht das einzige, das sich über die Chinesen freut. Frankreich erhielt diese Woche eine Million Atemschutzmasken, dazu Anzüge und medizinische Handschuhe. Nachdem man zu Beginn der Krise noch Material nach Fernost verschickt habe, verlaufe die Unterstützung nun in umgekehrter Richtung, lobte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Das sei „ein schönes Beispiel“ für internationale Zusammenarbeit.
Während in Europa der Kampf gegen das Virus noch nicht mal seinen Höhepunkt erreicht hat, scheint in China Ruhe einzukehren. Erstmals meldeten die Behörden gestern keine lokalen Neuinfektionen. China hat das Know-how, um dem Ausland zur Seite zu stehen, und jetzt auch die Kapazitäten. Vor allem aber hat das Land ein geostrategisches Interesse daran, europäische Staaten mit Wohltaten zu beglücken.
China als Retter in der Not, das ist ein Zerrbild. Dem Riesenreich geht es in erster Linie darum, aus der Krise politisches Kapital zu schlagen. Corona wird als Chance begriffen, seinen Einfluss auszudehnen. Nicht mehr als Verursacher der Krise dazustehen, sondern als globaler Problemlöser. Am deutlichsten zeigt sich das auf dem Balkan. Dort wandte sich Serbiens Präsident Aleksandar Vucic öffentlich von seinem Kontinent ab. Grund war die Entscheidung der EU, medizinische Hilfsgüter mit einem Exportstopp zu belegen. Jetzt sei „jedem klar, dass die europäische Solidarität nicht existiert“, klagte Vucic. „Es war ein schönes Märchen.“
Hilfe bekommt Serbien nun aus Peking. Den chinesischen Präsidenten Xi Jinping nennt Vucic dafür „nicht Freund, sondern Bruder“. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Großmacht auf dem Balkan engagiert. Kürzlich lieferte sie ein Drohnensystem an Belgrad, und seit einiger Zeit gehen chinesische Polizisten auf den Straßen der Hauptstadt Streife. Offiziell, damit sich Touristen aus dem Reich der Mitte sicherer fühlen. Auch in Italien gibt es solche Kooperationen.
Serbien, der EU-Beitrittskandidat, orientiert sich nach Osten, aber das ist nur ein kleiner Aspekt eines gewaltigen Plans. Gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten Conte beschwor Xi Jinping diese Woche eine „Seidenstraße der Gesundheit“, angelehnt an das gigantische Wirtschafts- und Infrastrukturprojekt, mit dem Peking den Globus überspannt.
Während mit den USA die eine Großmacht auf Alleingänge setzt und alte Verbündete regelmäßig brüskiert, präsentiert sich die andere als hilfsbereit und schlagkräftig. Doch die Unterstützung hat ihren Preis. Je enger die Verflechtungen werden, desto größer der Einfluss.
Zu spüren bekam das zuletzt Eduardo Bolsonaro, der Sohn des brasilianischen Präsidenten. Kaum hatte er in einem Tweet Kritik an China und seinem Umgang mit der Corona-Krise geübt, ließ Peking, wichtigster Handelspartner der Südamerikaner, die Muskeln spielen. Wenig später entschuldigte sich der Parlamentspräsident für Bolsonaro junior.