München – Gerade einmal zehn Tage ist es her, dass die Verlängerung der umstrittenen Mietpreisbremse im Bundesrat die letzte Hürde nahm. Nur wenige Tage später redete man schon über ganz andere Maßnahmen. Inzwischzen war vielen bewusst geworden, welche sozialen Härten auf zahlreiche Menschen zukommen dürften. Nun hat die Bundesregierung Pläne zum Schutz von Mietern vorgestellt. Auch für den Bezug Hatz-IV sollen die Zugangsregeln erleichtert werden.
Die Folgen der Corona-Krise führten in der vergangenen Woche zu einer Solidarisierung von Deutschem Mieterbund und dem Gesamtverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. In einem Schreiben an die Bundesregierung forderten sie einen „Sozialfonds, damit niemand seine Wohnung wegen Zahlungsproblemen, die durch die Corona-Krise entstanden sind, verliert“. Dieser „Sicher-Wohnen-Fonds“ solle Zuschüsse oder zinslose Kredite gewähren.
Nun zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung zumindest den Mietern helfen will. Nach einer von den Ministerien für Justiz, Inneres und Wirtschaft erarbeiteten Gesetzesvorlage soll Mietern wegen Mietschulden in der Corona-Krise nicht gekündigt werden dürfen. Gelten soll dies für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibe aber im Grundsatz bestehen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, es solle niemand seine Wohnung verlieren, „weil er infolge der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist“. Das Gleiche gelte für die Versorgung mit Strom und Wasser.
Von Immobilien- und Eigentümerverbänden kommt unterschiedlich scharf formulierte Kritik an den vorgeschlagenen Maßnahmen. Die seien „ein guter und wichtiger erster Schritt, der voraussichtlich aber nicht ausreichen wird, um die Folgen aus der Covid-Krise ausreichend abzumildern“, erklärte der Präsident des Branchenverbands Zentraler Immobilienausschuss, Andreas Mattner.
Der Eigentümerverband Haus&Grund nannt die Maßnahme eine Entsolidarisierung des Staates mit den fast vier Millionen vermietenden Privatpersonen in Deutschland. Sie sei geeignet, „Millionen private Eigentümer in die Insolvenz zu treiben“. Der Verband forderte unter anderem, einen Kündigungsausschluss daran zu knüpfen, „dass der Mieter fortlaufend Bemühungen zur Beantragung von Wohngeld oder den Kosten der Unterkunft unternimmt“. Vermieter müssten Anspruch auf Unterstützung aus einem „Wohn- und Mietenfonds“ erhalten.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae fordert ein Sonder-Wohngeld, um zu verhindern, dass überhaupt Mietrückstände entstehen. Denn auch Vermieter müssten ja Kredite bedienen.
Der Bund plant außerdem, die Zugangsbeschränkungen zur Grundsicherung umfangreich zu lockern. Das soll Härten abfedern. Wer nach dem 1. April 2020 Hartz IV beantragt, soll sich offenbar für sechs Monate keiner Vermögensprüfung unterziehen müssen. Auch die Prüfung der Wohnungsgröße soll entfallen. Das Bundesarbeitsministerium rechnet laut „Bild am Sonntag“ mit bis zu 1,2 Millionen zusätzlichen Beziehern der Grundsicherung. Allein bis zu eine Million Selbstständige kämen für eine Antragstellung infrage. Binnen sechs Monaten kämen damit 7,5 Milliarden Euro Mehrausgaben auf den Bund zu, auf Kommunen 2,1 Milliarden.
Auch der Zugang zum Kinderzuschlag – maximal 185 Euro pro Monat – soll stark vereinfacht werden. Es werde nur noch der Einkommensbescheid des letzten Monats vor Antragsstellung geprüft. Dies soll zu einmaligen Mehrausgaben von 200 Millionen Euro führen. afp/dpa/sr