München – Die Botschaft aus dem Geistersaal klingt harmloser diesmal, aber der Eindruck täuscht. Es soll keine neuen Verschärfungen der Regeln geben, sagt Ministerpräsident Markus Söder zwar bei seiner digitalen Pressekonferenz im leeren Raum. Aber dann verkündet er Maßnahmen, deren Lasten Bayern weit über 2040 hinaus spüren wird. Mit nun 20 Milliarden Euro aus neuen Schulden will er die Folgen für die Wirtschaft dämmen, hinzu kommen Bürgschaften und Fonds in ähnlicher Höhe.
Es ist das umfangreichste Wirtschaftsprogramm, das Bayern je gesehen hat; in besseren Zeiten wäre es Anlass zur Freude. Jetzt dient es nicht zum Ankurbeln, nur zum Verhindern einer größeren Katastrophe. Die Unternehmen sollen überleben. Und möglichst nicht vom Ausland geschluckt werden. „Ich möchte nicht, dass Bayern ein Übernahmekandidat wird“, sagte Söder. Den Namen China nennt er nicht.
Für die Menschen bleibt es bei den bisherigen Regeln, auch nach dem Ärger um Tegernsee-Ausflügler. Zwar müssen die rechtlichen Details noch mal neu formuliert werden, weil zwei Frauen aus den Landkreisen Ebersberg und Rosenheim mit einer Eil-Klage Erfolg hatten. Diese Einzelfälle haben aber keine Wirkung für die anderen Bayern und wurden binnen Stunden mit einer neuen Rechtsverordnung geheilt. Das Innenministerium entwickelt zudem einen Bußgeld-Katalog, um die (bisher wenigen) Verstöße zu ahnden.
Parallel dazu bemüht sich die Staatsregierung, Kliniken und Pflegeheime aufzurüsten. 87 neue Beatmungsgeräte sind eingetroffen, rund 1200 waren bestellt. 700 Patienten werden derzeit behandelt, 120 intensiv – darunter auch Patienten unter 35 Jahren. Als Signal an das teils schon am Limit arbeitende Personal gilt die Entscheidung, ab 1. April auf Staatskosten Essen und Getränke in Krankenhäusern und Heimen bereitzustellen, notfalls per Catering.
In der Krise wachsen zudem die Gesundheitsbehörden. 800 Beamte sollen in der Fläche abkommandiert werden, 50 ins Ministerium versetzt werden – darunter auf drei Monate Gerhard Eck, der langjährige Staatssekretär aus dem Innenministerium.
Bei Söders Auftritt zeigt sich allerdings: Schon jetzt schiebt sich eine Frage der Menschen immer weiter in den Vordergrund – nicht nach dem „Warum“ der harten Einschränkungen, sondern nach dem „Wie lange“. Politiker und Experten sind bisher vage. Söder sagt, es könne „keiner sagen, wie lange das dauert“. Von „Monaten“ sprach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), ähnlich mehrere Virologen. In den kommenden Wochen werde es eher schärfer, sagt Christian Drosten von der Berliner Charité. „Abwarten“, tönt das Robert-Koch-Institut eher düster.
Eine Stimme ist dabei ungewöhnlich: Der Münchner Politikwissenschaftler Simon Hegelich, der die Infektionsdaten rein statistisch – nicht seuchenfachlich – untersucht und international vergleicht, erkennt seit Tagen eine Abschwächung des Anstiegs neuer Infektionen. Aus seinen Zahlenmodellen leitet er eine Stabilisierung in maximal zwei Wochen ab. „Insgesamt wird die Fallzahl in Deutschland nicht über 55 000 steigen“, prognostiziert er – ausdrücklich mit Unsicherheiten behaftet – in seinem Blog. Medizinisch betrachtet hieße das: Damit würde das Gesundheitssystem ohne krasse Überlastung fertig, zumindest nach dem Aufbau der Intensivbetten.
Bayern setzt nun eine Monitoring-Kommission ein, die den Staat ethisch und juristisch beraten soll, welche Freiheitsbeschränkung wie lange angemessen ist. Die ehemalige evangelische Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und die Richter Christoph Strötz und Clemens Lückemann sollen das bewerten.