Grüne Ernüchterung

von Redaktion

Die Öko-Partei wollte die Zahl ihrer Landräte ausbauen – doch jetzt verliert sie alle Stichwahlen

Miesbach – Wolfgang Rzehaks Töchter hatten ihren Spaß. Während die eine an jenem Sonntag vor zwei Wochen selbstvergessen auf dem Fußboden im Miesbacher Landratsamt spielte, ließ die andere sich eine Limo schmecken. Auch ihr Vater wirkte kein bisschen angespannt. Rzehak schaute auf die Zahlen an der Wand und war nicht unzufrieden. In einer so konservativ angehauchten Region wie dem Landkreis Miesbach als Zweitplatzierter hinter einem CSU-Kandidaten in die Stichwahl zu kommen, sei ein „sehr gutes Ergebnis“. Auch als Amtsinhaber.

Zwei Wochen später ist die Ernüchterung ungleich größer. Aus den knapp zehn Prozentpunkten, die Rzehak im ersten Wahlgang hinter Olaf von Löwis geblieben war, wurden gestern Abend satte 31. Exakt 65,41 Prozent der Stimmen sammelte der CSU-Mann. Dass es schwer werden würde, hatte Rzehak sich bereits vor zwei Wochen ausrechnen können, aber in dieser Deutlichkeit war es dann doch nicht abzusehen. Der Landkreis, den die Christsozialen als ihre Herzkammer ansehen und in den sie im Wahlkampf viel Prominenz entsandten, kehrt damit in gewisser Weise zur Normalität zurück.

Dass Rzehak und die Grünen 2014 überhaupt das Landratsamt einnahmen, hatte nur zum Teil mit einem Öko-Boom im Oberland zu tun. Die Stärke der Partei hing untrennbar mit der seinerzeit dramatischen Schwäche der CSU zusammen, deren affärenumtoster Landrat Jakob Kreidl so kurz vor der Wahl die Segel strich, dass kein Ersatzkandidat mehr nominiert werden konnte. Dem damaligen Wahlsieger Rzehak attestiert Löwis noch heute, eigentlich „ein schwarzer Grüner“ zu sein. So gesehen hielt sich das Wagnis in Grenzen.

Der Erfolg in den folgenden sechs Jahren allerdings auch. Im Streit um das Wasserschutzgebiet im Mangfalltal, aus dem der Landkreis München den Großteil seines Wassers bezieht und das längst hätte ausgedehnt werden sollen, gibt es noch immer kein Ergebnis. Die „Sparkassen-Affäre“ um Kreidl brachte ihm zudem nachträglich einen Strafbefehl ein. Große positive Akzente konnte Rzehak hingegen nicht setzen. In Erinnerung bleibt er als Landrat, der solide verwaltet, aber überschaubar gestaltet hat.

Der Erfolg in Miesbach war für die Grünen damals ein Coup, der aufgrund der delikaten Vorgeschichte auch bundesweit für erhebliches Aufsehen sorgte. Mit dem unterfränkischen Miltenberg eroberten sie noch ein weiteres Landratsamt, das sie sechs Jahre später durch Jens Marco Scherf nun schon im ersten Wahlgang verteidigten. Die gestrigen Stichwahlen bescherten ihnen dagegen weniger Grund zum Jubel.

Statt wie erhofft die Zahl der grünen Landräte auszubauen, ist sie bei diesen Kommunalwahlen glatt halbiert worden. Neben Miesbach gingen auch die Entscheidungen in den Landkreisen München, Rosenheim, Starnberg, Weilheim-Schongau, Berchtesgadener Land und Würzburg zu ihren Ungunsten aus. Die Ergebnisse bestätigen den Trend von vor zwei Wochen. Auf Gemeinde-, Stadt- und Kreistagsebene hat die Partei zugelegt, weswegen der Landesvorsitzende Eike Hallitzky sich auch gestern Abend noch freute, man habe das Ziel, mehr als 1000 zusätzliche Mandate zu holen, „mehr als erreicht“. Doch je höher es ging, desto dünner wurde die Luft. Der Sieg der Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund, die ihr Amt gegen eine CSU-Kandidatin verteidigte, war gestern ein einsames Erfolgserlebnis.

Immerhin, Wolfgang Rzehak nahm seine Niederlage gefasst auf. Er gehe „erhobenen Hauptes“, kündigte er an und blickte optimistisch nach vorne: „Ich bin 52, für mich ist das Leben noch nicht vorbei.“ MARC BEYER

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