Berlin – Die Coronakrise ist eine gewaltige Geduldsprobe – und wird es bleiben. Drei Wochen lang sollen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus mindestens noch gelten. Am 20. April wisse man hoffentlich besser, ob sie wirken, sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) der „Bild am Sonntag“. Jetzt sei jedenfalls nicht die Zeit, über eine Lockerung der Maßnahmen zu sprechen.
Er ist damit nicht alleine. Mächtige Stimmen vom bayerischen Ministerpräsidenten bis zur Kanzlerin warnen dieser Tage davor, den zweiten vor dem ersten Schritt zu tun. Stattdessen abwarten, geduldig sein. Aber nicht alle gehen da mit. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) etwa wendet sich gut hörbar gegen die Regierungslinie – und fordert eine Debatte über ein Ende der strikten Maßnahmen.
„Der Satz, es sei zu früh, über eine Exit-Strategie nachzudenken, ist falsch“, schrieb der CDU-Vize in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“. „Wir müssen schon jetzt die Zeit in den Blick nehmen, in der die rigiden Maßnahmen erste Wirkung zeigen.“ FDP-Chef Christian Lindner sagte der Funke Mediengruppe, der jetzige Zustand dürfe keinen Tag länger dauern, als es medizinisch nötig sei.
Welche Einschränkungen gelten, ist letzten Endes Ländersache. Während es in Bayern Ausgangsbeschränkungen gibt, haben die anderen Länder ein Kontaktverbot verhängt – nach Möglichkeit möchte man aber konzertiert handeln. Wann es einen Weg zurück zur Normalität gebe, hänge von der Entwicklung der Neuinfektionen ab, sagte Kanzleramtschef Helge Braun. Bisher gebe es „keinen Anlass, eine Aufhebung von Maßnahmen zu erwägen.“
Auch der Münchner Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek (Grüne) tritt auf die Bremse. „Wir müssen uns auf mehrere Monate Ausnahmezustand einstellen“, sagte er unserer Zeitung. Trotzdem macht er sich Gedanken über die Zeit nach den rigiden Maßnahmen. „Volksfeste oder große Weihnachtsmärkte wird es sicher erst mal nicht geben.“ Auch die Arbeitswelt werde sich an neue Standards wie Homeoffice gewöhnen müssen, um Gedränge in Kantinen oder im Nahverkehr – und damit neue Ansteckungsherde – zu vermeiden. „Wir müssen eine zweite Infektionswelle im Herbst verhindern, das ist die Voraussetzung für alles.“
Bis zum Herbst ist es noch lange hin. Während Laschet – immerhin Regierungschef im Bundesland mit den meisten Coronafällen – fordert, jetzt die „Maßstäbe für die Rückkehr ins soziale und öffentliche Leben zu entwickeln“, warnen andere davor, mit einer verfrühten Debatte falsche Erwartungen zu wecken. Das setze die „mühsam erreichten Verhaltensänderungen aufs Spiel“, sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans.
Zu den Mahnern gehört auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der die anderen Länder mit der Einführung von Schutzmaßnahmen zuletzt etwas überrumpelte. Im „Spiegel“ verteidigte er sein Vorgehen. Es sei schnell klar gewesen, dass bestimmte Maßnahmen nötig sind, sagte er. Da habe sich die Frage gestellt, „warum man dann noch drei bis fünf Tage warten soll“. mmä/dpa