München/Nürnberg – Im entscheidenden Moment sitzt der Sieger alleine in seinem Wohnzimmer vor dem Laptop, hinter sich zwei hässliche Topfpflanzen. Marcus König (CSU) bekommt gerade die Zahlen, dass er mit ein paar hauchdünnen Prozentpünktchen führt, dass er neuer Nürnberger Oberbürgermeister wird. Sollte er jetzt jubeln, wird es ein dünner Jubel, auch eine Ansprache an die Wähler wird schwierig: König steht mit seiner Ehefrau unter Corona-Quarantäne, beide sind natürlich allein. „Wir fiebern mit“, sagt König mit trockenem Humor im Skype-Interview des „BR“.
Der einsame Sieger auf der Couch ist eine bezeichnende Szene dieser sonderbaren Stichwahl. Mitten in der Corona-Krise wählt Bayern seine noch fehlenden Oberbürgermeister und Landräte. Wahlpartys darf eh keiner feiern in Zeiten strenger Ausgangsbeschränkung. Doch ausgerechnet König, der das spektakulärste Ergebnis einfährt, darf noch nicht mal vor eine andere Kamera treten als die seines eigenen Computers. Zwar ist der 39-Jährige nicht selbst infiziert, wegen des Kontakts zu einem Erkrankten hat er sich aber in die Isolation begeben.
Sein Sieg wird die Analyse des Wahlabends mit 750 Einzelentscheidungen prägen: In der zweitgrößten Stadt Bayerns, seit 18 Jahren rot regiert, übernimmt nun wieder die CSU die Herrschaft. Auch in Augsburg holt die CSU mit Eva Weber den Sieg. Die klare Niederlage von Kommunalreferentin Kristina Frank in München gegen den amtierenden Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) war hingegen schon eingepreist in der allgemeinen Erwartung. „Die CSU kann Großstadt“, twittert Parteichef Markus Söder am Abend mit Blick auf Augsburg („fulminant“) und Nürnberg („toller Erfolg“).
Die Analyse dieser Wahl ist dennoch nicht leicht. Auf den ersten Blick scheint sich die CSU zu festigen: Der Absturz in den großen Städte ist gestoppt, von den Grünen wurde sogar der ländliche Landkreis Miesbach zurückgeholt. Ein Siegeszug ist das aber nicht: Im bayernweit addierten Gesamtergebnis der Kreis- und Stadträte, das vor wenigen Tagen bekannt wurde, liegt die CSU ja nur noch bei 34,5 Prozent, Negativ-Rekord seit 1952; die Grünen stiegen auf satte 17,3 Prozent. In diesem summierten Resultat zeigt sich, dass die Schwarzen in Bayern noch immer an Boden verlieren gegen erstarkte Grüne in den Städten und teilweise gegen Freie Wähler am Land. Wo die CSU sich intern beharkt, wie in Ingolstadt, kann sie auch spektakulär verlieren.
Bei den Chef-Wahlen gibt es aber meist eine Art Corona-Effekt. In vielen Fällen profitieren in der Krise die Amtsinhaber. Das eine oder andere Prozent dürfte CSU-Chef Söder persönlich hinzuverdient haben Kraft seiner seit Wochen stark steigenden Popularität. „Das Vertrauen in Markus Söders Krisenmanagement hat sich mit Sicherheit sehr positiv ausgewirkt“, sagt Ilse Aigner, Chefin der CSU Oberbayern, die in der Partei lange nicht seinen Fanclub anführte. Auch die zwei Pünktchen für Königs Überraschungssieg in Nürnberg könnten, so heißt es in Franken, durchaus Söder zugeschrieben werden.
Er brauchte dafür auch in den vergangenen Wochen kaum noch in den Wahlkampf einzugreifen. Wie auch – der Corona-Krisenstab ließ organisatorisch kaum Zeit dafür, und Straßenwahlkampf ist ohnehin untersagt. Nur per Video gab Söder Unterstützer-Empfehlungen ab.
Tatsächlich kommen nun alle Parteien einigermaßen glimpflich aus den Wahlen heraus. Der CSU bleiben einige spektakuläre Landrats-Niederlagen, etwa in Erding, erspart. Die FDP behält in Landshut ihren bekanntesten Kommunalpolitiker Alexander Putz, die SPD feiert Reiter und ihren neuen Ingolstädter OB Christian Scharpf. Keiner der Gewählten, neu oder amtierend, hat nun aber eine Schonfrist vor sich – alle müssen voll ins lokale Krisenmanagement einsteigen.
In der Landespolitik hat die Wahl nur einen direkten Nebeneffekt: Der frühere CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle aus München rückt für den künftigen Rosenheimer Landrat Otto Lederer im Mai in den Landtag nach.