„Kaum Ansteckungsgefahr in Restaurants und Geschäften“

Virologe Hendrik Streeck über mögliche Exit-Strategien – Großveranstaltungen sind die schlimmsten Infektionsherde

München/Heinsberg – Ostern steht vor der Tür und Deutschland sehnt sich nach Normalität. Doch weiterhin ist unklar, wann und ob die Maßnahmen von Bund und Ländern gegen die Ausbreitung des Coronavirus ihre Wirkung zeigen. Eine Studie, durchgeführt von Professor Hendrik Streeck im besonders betroffenen Landkreis Heinsberg, soll nun Aufschlüsse über das weitere Vorgehen liefern.

Der Virologe, der als Erster das Symptom des vorübergehenden Geruchs- und Geschmacksverlustes feststellen konnte, ist von der nordrhein-westfälischen Landesregierung beauftragt worden, die Dunkelziffer der Sars-CoV-2-Patienten in der Region zu bestimmen und Infektionsketten einzugrenzen. Ministerpräsident Armin Laschet erhofft sich so Erkenntnisse für eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen.

Große Ausbrüche habe es insbesondere nach Feiern gegeben, erklärte Streeck der „FAZ“. Weil die Besucher einer Après-Ski-Bar in Ischgl aber ebenso schwierig ausfindig zu machen sind wie die Gäste eines Berliner Nachtclubs, bietet sich die Forschung in Heinsberg an. „In Gangelt im Landkreis Heinsberg war es die Kappensitzung des örtlichen Karnevalvereins“, schilderte der Leiter des Virologie-Instituts an der Universität Bonn. „Anders als bei anderen Veranstaltungen, ist es möglich, die Teilnehmer zu ermitteln.“

Bei einer repräsentativen Stichprobe von 1000 Einwohnern Gangelts wurden Abstriche und Blutproben durchgeführt. Zudem sollte jeder Teilnehmer einen Fragebogen zu seinen Vorerkrankungen und Kausalketten ausfüllen.

Für Empfehlungen zu möglichen Exit-Strategien ist es nach Angaben des Mediziners aber noch zu früh. „Wir haben nur Erfahrungswerte, keine abschließend geprüften Fakten“, sagte Streeck. Großveranstaltungen wie in Gangelt sollten seiner Meinung nach weiterhin vermieden, Abstandsregeln nach wie vor eingehalten werden. Er glaube jedoch, „dass Restaurants, Geschäfte und Supermärkte kein Infektionsrisiko darstellen“. Auf Türklinken wurde das Virus zwar nachgewiesen, eine Ansteckungsgefahr konnte aber nicht festgestellt werden.

„Unsere Empfehlungen könnten auch dazu führen, dass die Maßnahmen so rigide fortgeführt werden sollen“, merkte der 42-Jährige an. Er persönlich glaube zwar nicht daran, „aber ich kann es erst definitiv sagen, wenn wir die Daten komplett zusammenhaben“.

Streecks Vorschlag, bis die wissenschaftlich fundierten Daten vorliegen: „Wenn wir eine Eindämmung erreichen wollen, müssen wir viel mehr testen. Nur durch Testen und Isolieren kann man die Infektionskette durchbrechen.“ Vor allem Mitarbeiter in Pflegeheimen und Kliniken sollten regelmäßig auf das Virus untersucht werden. Denn: „Ein entscheidender Punkt ist, die besonders Gefährdeten effektiv zu schützen.“  jn

Montag, 4. Dezember 2023
Bitte melden Sie sich an, um den Artikel in voller Länge zu lesen.
Per E-Mail teilen
Entdecken Sie das OVB ePaper in Top-Qualität und testen Sie jetzt 30 Tage kostenlos und unverbindlich.