Berlin – Der Abend wurde lang. Um kurz vor Zehn, als der Koalitionsausschuss eigentlich bereits konkrete Ergebnisse hätte vorweisen wollen, gab es nur eine dürre Nachricht aus dem Kanzleramt. Die Verhandlungen der Spitzen von Union und SPD über weitere Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise zogen sich deutlich länger hin als geplant. Grund waren vor allem Differenzen darüber, ob das Kurzarbeitergeld angehoben und die Mehrwertsteuer für Gastronomie und Hotellerie generell auf sieben Prozent gesenkt werden soll.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war am späten Nachmittag mit den Spitzen von CDU, CSU und SPD zusammengekommen. Zwischenzeitlich nahmen auch Finanzminister Olaf Scholz und Außenminister Heiko Maas (SPD) an den Beratungen teil.
Wegen der schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind Hunderttausende Beschäftigte in Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit ersetzt einen Teil des weggefallenen Nettoeinkommens: Bei kinderlosen Beschäftigten 60 Prozent und bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. Im Gespräch sind befristete Erhöhungen auf bis zu 80 beziehungsweise 87 Prozent. Gerade in der CDU ist dies aber umstritten, auch bis zu welchen Einkommensgrenzen eine Erhöhung generell notwendig sei.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warnte kurz vor dem Treffen davor, mit zu weitreichenden neuen finanziellen Beschlüssen die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu gefährden. „Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, müssen so sein, dass wir auch in Zukunft finanzielle Möglichkeiten haben“, sagte sie. „Die Bundesregierung muss handlungsfähig bleiben, um weitere Maßnahmen in den kommenden Monaten finanziell stemmen zu können.“
Es müsse ernsthaft geprüft werden, ob die getroffenen Maßnahmen wirkten oder ob nachgeschärft werden müsse, sagte Kramp-Karrenbauer. „Wir können uns ein leistungsstarkes Sozialsystem nur mit einer gut laufenden Wirtschaft sichern. Dafür müssen wir alles tun.“
Im Streit um die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes waren die Fronten schon vor dem Treffen verhärtet. Eine befristete Erhöhung nur für Geringverdiener, zu der die CDU bereit ist, lehnte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ab: „Was wir nicht brauchen können, sind komplizierte und nicht administrierbare Regelungen“, sagte er „Zeit Online“. Sein Ziel sei es, „dass wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen“. Es sei „ja schließlich keine ideologische Frage zwischen CDU, CSU und SPD“.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warf der Union vor dem Treffen eine Blockadehaltung vor. CDU/CSU seien bei allem, was Arbeitnehmer (Kurzarbeit), Rentner (Grundrente) und Kommunen angehe, „auf dem Verweigerungstrip“, sagte er dem „Handelsblatt“. Die Union begründe dies damit, dass das Geld für die Projekte nicht reiche. „Bei Steuersenkungen für Unternehmen und obere Einkommenskategorien gibt es diese Bedenken nicht.“
Wenige Stunden zuvor hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf die Corona-Krise erneut zu gegenseitiger Hilfe und Unterstützung aufgerufen. „Die Solidarität, die wir jetzt erleben, brauchen wir nicht nur während der Krise, wir brauchen sie in Zukunft umso mehr“, sagte Steinmeier in einer Videobotschaft. Die Krise treffe die Gesellschaft hart, und sie werde noch eine ganze Weile dauern.
Es sei jetzt weder die Situation, um die Lage schönzureden, noch Zeit für schwärzeste Katastrophenszenarien. Wörtlich sagte Steinmeier: „Wir werden einiges von dem gemeinsam erarbeiteten Wohlstand preisgeben.“ Aber „so wie wir das Virus besiegen werden, so werden wir uns gemeinsam mit Fleiß und Klugheit auch aus dem wirtschaftlichen Tal gemeinsam wieder herausarbeiten“.