München – Von Jens Spahn stammt der Satz „Datenschutz ist was für Gesunde“. Als er das in das Vorwort eines Buches schrieb, war der CDU-Politiker noch Staatssekretär im Finanzministerium. Heute ist er Bundesgesundheitsminister und bereut seine Aussage von damals womöglich. Denn immer wenn es um die Sicherheit von Patientendaten geht, wird sie wieder ausgegraben.
Den Deutschen ist Datenschutz im internationalen Vergleich besonders wichtig. Und das gilt selbst im Kampf gegen die Corona-Epidemie. Gerade bekommt auch Spahn das wieder einmal zu spüren. Die Bundesregierung musste in ihrem Kurs für eine Corona-App umschwenken.
Solche Apps sollen helfen, die Ansteckungen nachzuverfolgen, wenn Ausgehbeschränkungen gelockert werden. Sie sollen via Bluetooth erfassen, welche Smartphones einander nahegekommen sind – und Nutzer warnen, wenn sich später herausstellt, dass sie sich neben infizierten Personen aufgehalten hatten. Um die Ausbreitung des Virus besser auswerten zu können, hatten Spahn und das Kanzleramt eine Lösung favorisiert, bei der der Abgleich der Daten über einen zentralen staatlichen Server erfolgen sollte. Doch es hagelte Kritik von Experten und Datenschützern, die eine zentrale Datensammlung als höchst problematisch einschätzen. Am Wochenende lenkten Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) schließlich ein. Die Informationen sollen nun dezentral gespeichert werden.
Der neue Ansatz ist allerdings auch ein Zugeständnis an Google und Apple, die mit ihren Betriebssystemen nahezu den gesamten Weltmarkt abdecken. Auch sie lehnen eine zentrale Lösung ab. Die Feststellung, ob man sich in der Nähe eines infizierten Nutzers aufhielt, soll ausschließlich auf den Smartphones erfolgen. Apple hat sich Berichten zufolge sogar geweigert, andernfalls die nötige technische Schnittstelle zur Verfügung zu stellen. Nun scheint der Weg frei, die Apps mit den Smartphone-Systemen von Apple und Google zu verknüpfen. Die Beteiligung der Unternehmen wirft aber auch Fragen auf.
„Die Macht der Konzerne besteht sicherlich schon darin, dass man auf sie angewiesen ist“, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber unserer Zeitung. Die zentrale Frage sei, ob Google und Apple damit in der Lage sein werden, die Gesundheitsdaten mit ihren anderen Profilen abzugleichen. Kelbers Antwort: „Beide Konzerne haben versprochen, es nicht zu tun, errichten dafür zum Teil auch technische Vorkehrungen.“ Bei einem Verstoß käme das maximale Bußgeld nach Datenschutzgrundverordnung in Betracht – also vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Bei Apple waren dies laut Kelber zuletzt 260 Milliarden US-Dollar. „Das ist eine weitere Sicherung.“
Offen ist noch, wann es überhaupt losgehen kann. Experten halten einen Einsatz der App frühestens in ein bis zwei Monaten für möglich. Auch Spahn nennt kein konkretes Datum. Andere Länder sind da schneller. Seit Sonntagabend ist eine vergleichbare App in Australien verfügbar. In den ersten 24 Stunden haben sie dort bereits 1,9 Millionen Menschen installiert. Auf den Hinweis, dass eine App ursprünglich auch hierzulande Mitte April in Betrieb gehen sollte, sagte Spahn in den ARD-„Tagesthemen“, er habe „immer darauf hingewiesen, mit den Erfahrungen aus anderen Digitalprojekten, dass es meistens ein, zwei, drei Wochen länger dauert“. Und zwar, so der Minister, „weil Datensicherheit und Datenschutz so wichtig sind“. mit dpa