Wehrmachtslieder und Sprüche im Chat

von Redaktion

AfD beurlaubt den Fraktionssprecher und Gauland-Vertrauten Lüth – Der Hintergrund ist bizarr

Berlin – Wenn man Fotos von Pressekonferenzen der AfD-Spitze aus dem Gründungsjahr 2013 neben solche des Jahres 2020 hält, sind nur zwei Personen immer noch dabei: Alexander Gauland, heute Fraktionschef im Bundestag. Und Christian Lüth, Pressesprecher der Fraktion. Seit dem letzten Wochenende gewesener Pressesprecher. Am Freitag teilte der 43-Jährige seinen überraschten Mitarbeitern mit, dass die Fraktionsführung ihn mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freistelle (wir berichteten).

Weil es sich um eine Personalangelegenheit handelt, ist die Partei mit Auskünften ausgesprochen zugeknöpft und bestätigt offiziell nur den Vorgang an sich. Außerdem wird mit Lüth offenbar noch darüber geredet, ob es eine andere Verwendung für ihn geben kann.

Der Hintergrund der Suspendierung ist bizarr. Nach Informationen dieser Zeitung gibt es einen Chat zwischen Lüth und einer Bewerberin um eine Stelle in der Fraktion. Die Bewerberin sei abgelehnt worden und darüber erbost gewesen, hieß es. In dem Chat soll Lüth dann geschrieben haben, dass er „Faschist“ und „arischer Abstammung“ sei. Screenshots davon erreichten die Fraktionsspitze. Unklar ist, ob Lüth die Formulierung ironisch benutzte. Die, die ihn in der Fraktion näher kennen, vermuten das.

Der 43-jährige in Berlin wohnende Familienvater, hat eigentlich eine liberale Vorgeschichte; er war nach dem Politikstudium Referent von FDP-Bundestagsabgeordneten und dann Vertreter der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung in Honduras. Als er zurück nach Berlin kam und hier in der FDP wegen deren Ausscheiden aus dem Bundestag keinen Job mehr fand, ging er zur gerade neu gegründeten AfD. Dort wurde er 2013 als Pressesprecher eingestellt, anfangs für die Partei, seit 2017 für die Fraktion. Journalisten erlebten ihn als relativ professionellen Öffentlichkeitsarbeiter, der sachlich Auskünfte gab, Interviews vermittelte und Pressekonferenzen leitete. Zwar vertrat er AfD-Positionen, profilierte sich aber weder in Gesprächen noch in seinen öffentlichen Äußerungen als besonders ideologisch. Er gehörte keiner Strömung der AfD an, auch nicht dem rechtsextremen „Flügel“ von Björn Höcke. Wohl deshalb überlebte er die scharfen Richtungskämpfe in der Partei und nacheinander die Vorsitzenden Lucke, Petry und Meuthen. Auch, weil er sich immer an Gauland hielt. Dieses Vertrauensverhältnis ist jetzt zerbrochen; Gauland soll ziemlich geschockt gewesen sein.

Freilich berichten Insider auch, dass Lüth vor allem dann, wenn es geselliger wurde, gern mal alte Wehrmachtslieder sang oder zweifelhafte Sprüche zum Besten gab. „So kennen ihn ja alle“, hieß es in der AfD. „Er schlug halt manchmal über die Stränge und neigte zu Provokationen.“ Lüths Großvater war im Zweiten Weltkrieg U-Boot-Kommandant und hatte von Hitler das Eiserne Kreuz bekommen. Lüth war stolz auf diese Familiengeschichte. Mit seinem stramm zurückgekämmten, gegelten Haar trat er auch optisch wie ein Mann aus den 40er Jahren auf. Die schrägen Ausrutscher wurden ihm jetzt offenbar zum Verhängnis.

Die AfD-Führung versteht da nämlich keinen Spaß mehr, seit Teile der Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Auch Gauland nicht. WERNER KOLHOFF

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