Als Flensburg 20 Tage lang Regierungssitz war

von Redaktion

Flensburg – In einer gepanzerten Limousine fährt Karl Dönitz in der Nacht zum 2. Mai 1945 nach Flensburg. In der Sportschule der Marine-Ausbildungsstätte auf dem Gelände der heutigen Marineschule Mürwik schlägt die deutsche Führung unter dem Großadmiral ihr neues Hauptquartier auf. Dönitz war von Hitler vor dessen Selbstmord als Nachfolger bestimmt worden. Am 3. Mai bildet Dönitz eine „geschäftsführende Reichsregierung“, die den Krieg zunächst fortsetzte. 20 Tage lang war die Stadt an der dänischen Grenze Regierungssitz von Dönitz. Denn der Krieg endete zwar am 8. Mai, politisch machten die Alliierten der NS-Zeit erst am 23. Mai 1945 endgültig ein Ende.

Von Flensburg aus wandte sich Dönitz am 8. Mai zur Kapitulation ans Volk: „Mit der Besetzung Deutschlands liegt die Macht bei den Besatzungsmächten. Es liegt in ihrer Hand, ob ich und die von mir bestellte Reichsregierung tätig sein kann oder nicht.“ Letzteres war der Fall. Am 23. Mai umstellten alliierte Einheiten die Marineanlagen, die Mitglieder der Regierung sowie 420 hohe Beamte und Offiziere wurden verhaftet.

Doch warum gerade Flensburg? „Nach dem Tode Hitlers gab es ja kaum noch Ecken in Deutschland, die nicht von den Alliierten besetzt waren. Da kam nicht mehr viel infrage“, sagt der Flensburger Historiker Gerhard Paul.

Es war nicht nur die Regierung um Dönitz, sondern es waren auch die Spitzen der Konzentrationslager-SS oder der Gestapo, die es nach Flensburg zog. „Es gab kaum eine Stadt in Deutschland, die in ihren Mauern eine höhere Dichte an Kriegsverbrechern beherbergte“, sagt Paul. Zahllose hohe NS-Funktionäre und Mitglieder der SS wechselten hier die Identität.

Mit der militärischen Kapitulation war das Ende des Dritten Reichs klar und damit eigentlich die Rolle einer „Reichsregierung Dönitz“ erledigt, wie der Direktor der Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte, Uwe Danker, sagt. „Aber: Zunächst wohl um geordnete Kapitulations- und Übergabemodalitäten bemüht, ließen die Briten es zu, dass das Kabinett noch bis zum 23. Mai 1945 im Sondergebiet Flensburg-Mürwik, einem zwei mal sieben Kilometer langen Streifen entlang der Flensburger Förde, weiter existierte.“ Bis zu ihrer Verhaftung habe sich die letzte NS-Regierung mit irrealen Zukunftsentwürfen befasst, sagt Danker. So ist jeden Morgen eine Kabinettssitzung abgehalten worden, die protokolliert wurde. „Sie glauben gar nicht, was das für eine Lachnummer war“, sagt Paul. „Europa lag in Schutt und Asche und da ging es um Fragen, wie man sich nun grüßt.“

Und auch die letzte offizielle Verhandlung zwischen Dönitz und den Alliierten zeigt die verzerrte Wahrnehmung des Deutschen: Es ging um zwölf Koffer mit Wäsche, die der Großadmiral mit in Kriegsgefangenschaft nehmen wollte, sagt Paul.

BIRGITTA VON GYLDENFELDT

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