Die vergessene Widerstandsgruppe

von Redaktion

Der Harnier-Kreis ist heute kaum mehr bekannt – vor 75 Jahren starben seine beiden wichtigsten Mitglieder

Eine der größten Widerstandsgruppen in der NS-Zeit war in Bayern der sogenannte Harnier-Kreis. Er ist heute kaum mehr bekannt, obwohl seine Geschichte ein erinnerungswürdiges Beispiel bayerischer Standhaftigkeit ist. Adolf von Harnier und Josef Zott, die zwei führenden Mitglieder des Kreises, verloren vor 75 Jahren ihr Leben.

Noch im Jahr der Machtergreifung schloss sich in München eine Gruppe von ehemaligen Mitgliedern des Bayerischen Heimat- und Königbunds zu einem Widerstandskreis zusammen. Den Vorsitz übernahm zunächst der Gartenverwalter von Schloss Nymphenburg, Heinrich Weiß. Als geheimes Erkennungszeichen wählte die Gruppe eine am Revers getragene Patrona Bavariae, die Schutzheilige Bayerns. Zur Finanzierung der Ausgaben verkauften die Mitglieder Ansichtskarten mit Porträts von Kronprinz Rupprecht von Bayern – das war auch ideal zur Gesprächsanbahnung mit Gleichgesinnten.

Überall bildeten sich Zellen des Widerstandes, so u. a. in Augsburg, Deggendorf, Burgkirchen, Kaufbeuren, Rosenheim, am Schliersee, am Chiemsee und sogar „unter den Augen des Diktators“ in Berchtesgaden. Die Zusammensetzung der Widerstandsgruppe war ein Schnitt durch die bayerische Gesellschaft: Unternehmer, Arbeiter, Gelehrte, Beamte, Landwirte und viele katholische Geistliche (über zehn Prozent!). Ende 1936 fand schließlich der Münchner Rechtsanwalt Adolf Freiherr von Harnier seinen Weg in den geheimen Kreis. Er gehörte vor dem Verbot des Königsbundes zu dessen engagiertesten Mitarbeitern. Nach der Machtergreifung wurde er nicht Mitglied des NS-Juristenbundes, sondern verteidigte als Rechtsbeistand vom Regime verfolgte Juden. Er war auch demonstrativ aus der rassistischen Deutschen Adelsgenossenschaft ausgetreten, die sich selbstüberhöhend in „reinblütigen“ Ariernachweisen erging und in Bayern lautstark für das NS-Regime warb. Letzteres war für Harnier ein Treuebruch gegenüber dem bayerischen Königshaus.

Das wichtigste Mittel der Königstreuen im Kampf gegen das Nazi-Regime waren Flugblätter. Sie erreichten teilweise eine Auflage von bis zu 30 000 Stück und trugen Titel wie: „Ein Irrsinniger hat in Deutschland die Macht an sich gerissen“ oder „Unser Himmel ist blau-weiß, unser Feind das ist der Preiß“. Mit reißerischer Gegenpropaganda forderten die Königstreuen die Wiederherstellung der bayerischen Monarchie als Garant für Bayerns Unabhängigkeit.

Josef Zott, der aus der Baubranche stammte und sich für sozialpolitische Fragen interessierte, wollte mehr Leute aus der Arbeiterklasse für den Widerstand gewinnen. Er nahm daher Kontakt zu Münchner Kommunisten auf. Aus diesem Milieu stammte dann leider auch der Spitzel, den die Gestapo bereits 1936 in die Gruppe einschleusen konnte. Über ihn und weitere nachfolgende Agenten wurde schließlich die gesamte Organisation aufgedeckt. Im August 1939 schlug die Gestapo zu. Sie verhaftete in einer ersten Welle 125 Personen. Die führenden Köpfe der Gruppe warteten über fünf Jahre auf ihr Urteil. Bis auf eine Ausnahme wurden sie alle in München zu Zuchthausstrafen verurteilt. Adolf von Harnier erhielt zehn Jahre. Nur Josef Zott, dem man erschwerend seine Kontakte zu Kommunisten vorwarf, wurde vom Volksgerichtshof in Berlin zum Tode verurteilt. Er wurde am 15. Januar 1945 hingerichtet. Adolf von Harnier erlebte zwar noch die Befreiung durch die Amerikaner, doch starb er bereits am 12. Mai 1945 an den Folgen seiner Internierung.

Der Harnier-Kreis ist heute kaum mehr bekannt. Sein Widerstand war rein bayerisch motiviert, katholisch und königstreu – so wie damals eben noch viele Bayern eingestellt waren. MERLIN ERGERT-GILLERN

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