München/Berlin – Auch Herzlichkeit bleibt in Corona-Zeiten leicht mal auf der Strecke. Den Blumenstrauß, den Rolf Mützenich für die neue Wehrbeauftragte parat hatte, konnte der SPD-Fraktionschef gestern zwar an Eva Högl übergeben, aber weil er sich wegen der strengen Abstandsregeln weit vorbeugen musste, sah die ganze Aktion etwas ungelenk aus. Immerhin, Mützenich wirkte aufrichtig erfreut und auch ein bisschen erleichtert.
Ein Selbstgänger ist diese Wahl jedenfalls nicht gewesen. Dass Högl mit 389 Stimmen am Ende doch ein gutes Stück über der Kanzlermehrheit von 355 liegen würde, war nicht zwingend zu erwarten. Im Vorfeld hatte die Nominierung für gewaltige Irritationen gesorgt, in der SPD ebenso wie bei der Opposition. Die Personalie stehe „unter keinem guten Stern“, sagte FDP-Chef Christian Lindner noch kurz vor der Abstimmung. Er nannte die Kandidatin respektabel und kompetent, kündigte auch eine gute Zusammenarbeit an, doch aus seinen grundsätzlichen Vorbehalten machte er kein Hehl. Es sind die selben Vorbehalte, die man in den vergangenen Tagen fast aus dem gesamten politischen Spektrum vernommen hat.
Ginge es um andere Posten, in der Innenpolitik, dem Justiz- oder Familienressort, wäre Högl (51) wohl eine logische Anwärterin gewesen. Die Juristin, die seit 2009 dem Bundestag angehört und dreimal als Direktkandidatin für den Wahlkreis Berlin-Mitte einzog, hat sich gegen Rechtsextremismus und im Koalitionsstreit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche engagiert. In den Untersuchungsausschüssen zu den NSU-Morden und den Kinderporno-Vorwürfen gegen den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy erwarb sie sich den Ruf einer fleißigen Ermittlerin. Selbst als Regierende Bürgermeisterin von Berlin wurde sie gehandelt, ebenso als Justizministerin. Ihre Vita ist also eindrucksvoll. Mit Verteidigungspolitik hatte Högl bisher allerdings kaum zu tun.
Entsprechend kräftig war der Gegenwind. Die Unerfahrenheit in Sachen Bundeswehr ist eine offene Flanke. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann beklagte einen „Affront gegen die Soldatinnen und Soldaten“, Grünen-Politiker Winfried Nachtwei merkte laut „Welt“ in einem Brief an Mützenich an, der Job sei „keine Aufgabe wie ein Ministerposten, die politische Führungspersonen übernehmen können, auch ohne fachpolitisch versiert sein zu müssen“. Es klang ein bisschen nach Verteidigung, als Högl nach der Wahl beim TV-Sender Phoenix darauf verwies, sie bringe als Innen- und Rechtspolitikerin viel mit, was sie im neuen Amt gebrauchen könne: „Ich mag die Bundeswehr sehr.“
Der Vorgang hat viel Schaden angerichtet. Auf der Strecke blieb neben dem verhinderten Kandidaten Johannes Kahrs, der sich aus allen politischen Ämtern verabschiedete, auch der bisherige Wehrbeauftragte Hans-Dieter Bartels. Der hätte gerne weitergemacht und galt auch bei der Opposition als gute Besetzung.
Die Personalie Högl wird über den Wahltag hinaus nachhallen, dessen ist sich auch Mützenich bewusst. Vor der Abstimmung kündigte er an, er werde „in den nächsten Tagen nochmals viel darüber nachdenken, welche Fehler ich möglicherweise gemacht habe“. mit afp