Berlin – Mitten in der Lockerungsphase der Corona-Auflagen müssen die Behörden in drei Bundesländern die Notbremse wegen zu hoher Infektionszahlen ziehen. In drei Kreisen in Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wurde der kritische Wert von 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in sieben Tagen überschritten. Die Infektionen hatten sich in zwei Schlachtbetrieben sowie in Alten- und Pflegeheimen ausgebreitet.
Wegen der regional unterschiedlich hohen Infektionszahlen soll nun stärker vor Ort über Maßnahmen entschieden werden. Wird der kritische Wert überschritten, können die Länder regional die Notbremse ziehen.
Im Kreis Coesfeld in NRW lag die Zahl laut Robert-Koch-Institut bei 52,7. Die Landesregierung griff am Freitag durch und schloss den betroffenen Schlachtbetrieb vorübergehend. Mehrere für Montag geplante Corona-Lockerungen werden um eine Woche verschoben. Konkret heißt das: Die Kontaktbeschränkungen bleiben bestehen, Gaststätten und Freizeitparks geschlossen. Große Geschäfte bleiben ebenfalls zu. In einem weiteren fleischverarbeitenden Betrieb gab es am Freitag ebenfalls eine hohe Zahl von Corona-Infektionen. In Oer-Erkenschwick (Kreis Recklinghausen) hätten sich in einem Schwesterbetrieb des Coesfelder Werks 33 von 1250 Mitarbeitern mit dem Virus angesteckt, hieß es am Abend.
Auch in Schleswig-Holstein ist ein Schlachthof betroffen. Die meisten Infizierten sind Beschäftigte eines Fleischbetriebs in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg). Ein Großteil der Ausländer, die dort arbeiten, ist in einer Kaserne im Kreis Steinburg untergebracht. Der Kreis Steinburg lag mit 87 aktuellen Fällen über dem Grenzwert. Am Freitagabend beschloss die Landesregierung, die Angestellten aller Schlachtbetriebe in Schleswig-Holstein testen zu lassen.
Der Krisenstab des Thüringer Landkreises Greiz will Anfang der Woche über Auflagen entscheiden. Greiz registrierte 80,5 Infektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Die meisten Infizierten sind Bewohner und Personal von sechs Pflegeheimen und einer Geriatrie-Klinik.
Politiker warnten davor, Landkreise und kreisfreie Städte könnten überfordert sein. „Die Kommunen haben weder die Expertise noch das Personal, wirkungsvoll die Ursachen ihrer lokalen Ausbrüche zu erkennen oder zu bekämpfen“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt pochte auf Hilfe für die Kommunen.