Merkel & Macron: Europa gemeinsam wieder aufbauen

von Redaktion

Deutschland und Frankreich schlagen 500-Milliarden-Euro-Programm vor – Österreich skeptisch

München – Europa krankte in den letzten Monaten nicht nur an der Corona-Pandemie selbst, sondern an einer tiefen Kluft im Umgang mit der Krise, die vor allem die Wirtschaften der 27 EU-Staaten schwer getroffen hat. Paris und Berlin traten dabei weniger als deutsch-französisches Tandem in Erscheinung, denn als Antipoden der jeweils nord- oder südeuropäischen Sichtweise.

Gestern unternahmen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen gemeinsamen Anlauf, die Selbstblockade zu überwinden und Europa einen Weg aus der Krise zu weisen. Man hat sich zusammengerauft und will ein positives Signal an die EU-Partner senden.

Im Zentrum des Vorschlags steht ein „Recovery Fund“, ein Wiederaufbauprogramm in Höhe von 500 Milliarden Euro. Das Geld soll von den Mitgliedsstaaten anteilig (auf Deutschland entfallen rund 27 Prozent) in den EU-Haushalt für die nächsten Jahre eingezahlt und in langen Laufzeiten abgestottert werden. Diese Mittel unterliegen damit der Haushaltskontrolle des Bundestags, wie Merkel mit Blick auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts besonders betont. Im Gegensatz etwa zu den vor allem von Südländern bevorzugten Eurobonds ohne parlamentarische Kontrolle.

Bei diesem Fonds handelt es sich nach Aussagen von Merkel und Macron um Transferleistungen für besonders hart getroffene Regionen und Wirtschaftszweige – vergleichbar mit den bereits bestehenden Fördertöpfen der EU (Kohäsionsfonds).

Man wolle damit die Lehren aus der Finanzkrise 2008 ziehen, erläutert der Franzose. Damals habe man arme Länder (wie etwa Griechenland) dazu gezwungen, durch Privatisierungen ihre Haushaltsdefizite zu begrenzen – um hinterher festzustellen, dass dies in einigen Fällen nicht in europäischem Interesse war. Im Gegenteil, Europa habe sich dadurch geschwächt, so Macron. Etwa wenn Häfen oder andere wichtige Infrastruktur an Investoren wie China verkauft wurden.

Die EU-Kommission soll mit dem Geld konkrete Projekte initiieren, die eine neue Dynamik in den Bereichen Klima/Umwelt (Green Deal), Gesundheit und Technologie entfalten und Europa global stärker wettbewerbsfähig machen sollen, so der Plan.

Merkel wie Macron wollen dabei europäische Champions schaffen, die in den Schlüsseltechnologien weltweit erfolgreich mit amerikanischen oder asiatischen Wettbewerbern bestehen können. Es gehe darum, Europa in essenziellen Bereichen autonomer zu machen und über eigene Fähigkeiten verfügen zu lassen – von der Herstellung und Vorratshaltung von Medikamenten und Gesundheitsartikeln bis hin zur Produktion von Autobatterien. Zählt man alle nationalen und europäischen Finanzmittel zusammen, kommt man auf drei Billionen Euro – eine Antwort auf die Corona-Krise, die sich sehen lassen kann, meint Merkel.

So weit Merkel und Macron bei ihrer gestrigen Videokonferenz in Berlin und Paris räumlich voneinander entfernt sind – inhaltlich präsentierten sie sich so nah beieinander wie lange nicht. Die Kanzlerin erklärt dies in ihrer typisch trockenen Art: „Es kann keine europäische Einigung geben, wenn es zuvor keine deutsch-französische Einigung gibt.“

Jetzt müssen die anderen 25 EU-Partner nur noch zustimmen – die Reaktionen fielen gestern aber gemischt aus. Während Italien und Spanien den Vorstoß als richtigen Schritt begrüßten, blieb Österreichs Kanzler Sebastian Kurz skeptisch. Hilfe müsse über rückzahlbare EU-Kredite erfolgen und nicht über Zuschüsse. „Unsere Position bleibt unverändert“, twitterte Kurz. ALEXANDER WEBER

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