München – Antikörper gegen Corona – in Bayerns Unikliniken sind bislang erst wenige Dutzend Patienten mit sogenanntem Rekonvaleszenten-Plasma behandelt worden, darunter sechs mit Plasma aus Großhadern. Zuvor hatte die Regierung von Oberbayern eine Sondergenehmigung im Krisenmodus erteilt. „Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Heilversuche“, sagt Professor Dr. Martin Hildebrandt, stellvertretender Leiter der Transfusionsmedizin des LMU-Klinikums. Jetzt soll die Behandlungsmethode im Rahmen einer Studie erforscht werden.
Warum setzen die Wissenschaftler auf Antikörper? „Die ehrliche Antwort ist: Weil wir momentan noch nicht viel andere erfolgversprechende Medikamente gegen Covid-19 haben“, sagt Hildebrandt. Deshalb greife man zu Mitteln, die sich früher bei anderen Erkrankungen bewährt haben. Antikörper würden bei der Tetanus- oder Diphtherie-Impfung schon lange erfolgreich eingesetzt. „Wir hoffen, dass dieses Grundprinzip auch bei Covid-19 funktioniert. Bei ersten Heilversuchen gab es bereits ermutigende Ergebnisse. Schwer kranken Patienten ging es nach der Antikörper-Therapie besser.“ Welchen genauen Anteil das Rekonvaleszenten-Plasma daran hatte, sei noch unklar.
Für eine Plasma-Spende kommen Covid-19-Patienten infrage, die seit mindestens zwei Wochen keine Symptome mehr haben und nach der Erkrankung zwei Mal negativ auf Sars-Cov-2-Viren getestet worden sind. Das Blut des Spenders wird zudem akribisch untersucht – unter anderem, um Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis auszuschließen.
Die meisten, aber nicht alle genesenen Corona-Patienten hätten Antikörper im Blut. „Vor allem müssen sie sogenannte neutralisierende Antikörper aufweisen, die sich speziell gegen Sars-Cov-2-Viren richten“, erläutert Hildebrandt. Der Hintergrund: Es gibt eine Fülle von Coronaviren, mit denen die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens in Kontakt kommen. Die Antikörper, die dadurch gebildet werden, müssen aber nicht zwingend speziell gegen die neuartigen Sars-Cov-2-Viren wirken.
Der Ablauf einer Spende ist recht einfach: Der Spender sitzt in einem bequemen Liegesessel. Mit einer relativ dicken Nadel legen die Spezialisten einen Zugang. Weil die Nadel extrem scharf ist, spürt man den Einstich kaum. „Es tut nicht mehr weh als normales Blutabnehmen“, bestätigt Ex-Patient Georg Fahrenschon. Das Blut läuft in eine Hightech-Zentrifuge, diese filtert das Blutplasma heraus, insgesamt 660 Milliliter. „Man nimmt nur ein leichtes Kribbeln im Arm wahr“, berichtet Fahrenschon. Die gelbliche Substanz fließt direkt in drei Plastikbeutel, wird praktisch portioniert. „Der Patient auf der Intensivstation bekommt das Rekonvaleszenten-Plasma dann in der Regel in zwei Infusionen verabreicht“, berichtet Hildebrandt. Eine wichtige Voraussetzung: Die Blutgruppen müssen zueinander passen. Nachdem die Zentrifuge das Plasma herausgefiltert hat, pumpt das Gerät das Blut mit allen übrigen Bestandteilen wie roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen zurück in die Armvene.
Genesene Corona-Patienten, die Blutplasma spenden wollen, müssen sich gedulden: Momentan ist das Team der LMU damit beschäftigt, die bereits eingegangenen Angebote zu prüfen. Dieser Prozess inklusive Bluttests ist aufwendig, am Ende kommt nur ein Bruchteil der Freiwilligen tatsächlich als Spender infrage. So konnten bislang neben Fahrenschon nur etwa 20 von mehr als 2000 Corona-Geheilten ins Programm aufgenommen werden – also etwa ein Prozent. ANDREAS BEEZ